URI: 
       # taz.de -- Internationale Werbekampagne reduziert: Sachsen schämt sich ein bisschen
       
       > Die Dresdner Staatskanzlei fährt die Imagekampagne wegen der
       > rassistischen Übergriffe zurück. Die Ruf des Landes ist längst schon
       > ramponiert.
       
   IMG Bild: Sächsisch geht gerade nicht so gut: Ministerpräsident Tillich beim „Tag der Sachsen“ im Jahr 2014
       
       Dresden taz | „Großes braucht keine großen Worte“: So ist ein TV-Spot
       überschrieben, der kommentarlos einige nur für Eingeborene decodierbare
       Bilder aus Sachsen zeigt. Er ist Teil einer 2013 begonnenen internationalen
       Werbekampagne der Sächsischen Staatsregierung mit dem Titel „So geht
       sächsisch“, die die Agentur Ketchum Pleon gestaltet.
       
       Angesichts der großen Pegida-Aufmärsche und des bundesweiten Spitzenplatzes
       von Sachsen bei fremdenfeindlichen Aktionen sind nun vielen innerhalb und
       außerhalb Sachsens tatsächlich die Worte weggeblieben. Man schämt sich auch
       in der Staatskanzlei ein bisschen und fährt nun die Kampagne deutlich
       herunter. So wird künftig beispielsweise auf die 10.000 Großplakate
       verzichtet, die in ganz Europa geklebt wurden. Sogar in London waren
       Doppelstockbusse mit der Werbung „Simply Saxony“ unterwegs.
       
       Der Mythos vom hochtalentierten sächsischen Übermenschen spielte vor allem
       in der Ära von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf nach der Wende eine Rolle.
       Mit dem Verweis auf überragende technische und künstlerische Leistungen in
       der Vergangenheit sollte den Sachsen angesichts der Schwierigkeiten zu
       Beginn der 1990er Jahre Mut eingeflößt und Investoren zugleich der Boden
       bereitet werden. „Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus“, behauptete
       Biedenkopf damals unter anderem.
       
       Die schwarz-gelbe Koalition hielt dann 2013 eine ähnliche Kampagne für
       angebracht und stellte für vier Jahre eine Summe von 32 Millionen Euro in
       den Landeshaushalt ein. Die SPD, die seit dem Vorjahr Koalitionspartner der
       CDU ist, war damals vehement gegen einen solchen Aufwand.
       
       ## Mehr Zurückhaltung sei angebracht
       
       Nunmehr hat in der CDU-geführten Staatskanzlei selbst das große Nachdenken
       eingesetzt. „Wir überprüfen regelmäßig gemeinsam mit der Agentur die
       Kampagne“, sagt Regierungssprecher Christian Hoose.
       
       Dabei seien er und der engere für Öffentlichkeitsarbeit zuständige
       Mitarbeiterkreis zu dem Schluss gekommen, dass angesichts der gegenwärtig
       aus Sachsen kommenden Bilder mehr Zurückhaltung angebracht sei.
       
       Ganz einstellen wolle man die Werbung für den Freistaat aber nicht. Das
       wäre „kontraproduktiv“ und käme auch einer Kapitulation vor dem „braunen
       Mob“ gleich. Zahlreiche Partnerunternehmen aus der Wirtschaft nutzten die
       Internet-Spots, und auf Facebook gefällt die Kampagne mehr als 52.000
       Usern.
       
       Diesen Teilrückzug trägt auch der Koalitionspartner mit. Die
       stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Hanka Kliese, hielte
       eine völlige Einstellung auch für unangebracht. Ein „Weiter so!“ könne es
       aber auch nicht geben. „Die Grundwerte und Tugenden wie Herzlichkeit und
       Gastfreundschaft, die diese Kampagne mit den Sachsen verbindet, sind
       besonders in den vergangenen Wochen infrage gestellt worden“, sagte sie der
       taz.
       
       Es gibt deshalb auch SPD-Stimmen, die auf die an Selbstparodierung
       grenzende Eigenwerbung ganz verzichten möchten.
       
       ## Werbung in Zeitschrift
       
       Von heute auf morgen ginge das nicht. Soeben ist die Zeitschrift Die Bunte
       mit einem Einleger erschienen, wo sich der Schauspieler und Sänger Jan
       Josef Liefers für seine alte Heimat stark macht. Aktionen wie alljährlich
       zu Weihnachten und für den 25. Jahrestag der Deutschen Einheit sind bereits
       angelaufen.
       
       Anders als in Sachsen-Anhalt, wo die von vielen als Kabarettnummer
       empfundene „Frühaufsteher“-Kampagne eingestellt wurde, gibt es in Sachsen
       triftige politische Gründe und alarmierende Fakten. Dazu zählt nicht nur
       die Reisewarnung des US-Außenministeriums auf dem Höhepunkt der
       Pegida-Demonstrationen. Die Zahl der Dresden-Touristen ist in den ersten
       vier Monaten dieses Jahres um fünf Prozent gesunken.
       
       Von der Aberkennung des Welterbetitels 2009 infolge des Streits um die
       Waldschlösschenbrücke hatten sich Besucher hingegen noch unbeeindruckt
       gezeigt. Nun spricht die Dresden Marketing GmbH vom „Pegida-Effekt“. Auch
       Universitäten und Forschungsinstitute beobachten eine zunehmende
       internationale Distanzierung von Sachsen.
       
       Die neue sächsische Bescheidenheit indiziert aber auch Veränderungen und
       neue Nachdenklichkeiten in der sächsischen CDU. Beim Treffen der
       Ostministerpräsidenten am Wochenende hatte Stanislaw Tillich in so lange
       nicht gehörter Deutlichkeit eingeräumt, dass Sachsen seit Jahren ein
       rechtsextremes Problem habe.
       
       31 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Pegida
   DIR Sachsen
   DIR Stanislaw Tillich
   DIR Schwerpunkt Ostdeutschland
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Pegida
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
   DIR Flüchtlinge
   DIR Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Protest gegen Pegida geplant: Dresden muss sich entscheiden
       
       Pegida wird wieder größer. Kurz vor dem ersten Jahrestag der
       fremdenfeindlichen Bewegung formiert sich in Dresden neuer Widerstand.
       
   DIR Rechte Demonstrationen in Sachsen: Selbsternannte Patrioten
       
       In Sachsen protestieren Rechte gegen Flüchtlinge und bilden eine
       Menschenkette an der tschechischen Grenze. Bei Pegida in Dresden
       marschieren 9.000 Menschen.
       
   DIR Anklage gegen Pegida-Gründer: Zum Hass aufgestachelt
       
       Lutz Bachmann bezeichnete Ausländer auf Facebook als „Viehzeug“. Nun hat
       die Dresdener Staatsanwaltschaft Anklage wegen Volksverhetzung erhoben.
       
   DIR Folge von fremdenfeindlichen Protesten: Die Menschen meiden Dresden
       
       Die Zahl der Übernachtungen ging im ersten Halbjahr 2015 zurück. Vor allem
       Jugendgruppen mit vielen ausländischen Kindern stornierten ihre Reise.
       
   DIR Sind Ossis fremdenfeindlicher als Wessis?: „Die Aggressivität ist besonders hoch“
       
       Der Streit geht weiter: Im Osten fehle die Erfahrung mit der Migration,
       meint nun der Sprecher der Länderinnenminister.
       
   DIR Evangelischer Theologe in Sachsen: Fragwürdiger Bischof
       
       Carsten Rentzing ist das neue Oberhaupt der sächsischen Protestanten. Er
       beharrt darauf, die Bibel wörtlich zu nehmen.
       
   DIR Nach den Ausschreitungen in Heidenau: Eine neue Dimension der Gewalt
       
       Sachsens Verfassungsschutz macht der NPD Vorwürfe. Unterdessen wehren sich
       verschiedene Landeschefs gegen das Nazi-Image Ostdeutschlands.
       
   DIR Kommentar Heidenau: Beschämend und abstoßend
       
       Ein Versammlungsverbot? Weniger demokratisches Grundverständnis geht kaum
       noch. Beruhigend nur, dass sogar Konservative sich empören.
       
   DIR Thierse wegen Äußerungen angezeigt: „Das ist sächsische Demokratie“
       
       Ein Polizist hat Wolfgang Thierse wegen Äußerungen und wegen seiner
       Beteiligung an Anti-Nazi-Protesten in Dresden angezeigt. Staatsanwaltschaft
       Dresden prüft Aufhebung der Immunität.