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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Die Lilien und das Unkraut
       
       > Nur wer das Getöse vor dem Anpfiff der neuen Bundesligasaison ernst
       > genommen hat, kann sich jetzt über den ersten Spieltag wundern.
       
   IMG Bild: Nein, er saß nicht auf der Tribüne: Jürgen Klopp macht Urlaub
       
       Gemessen an dem Getöse, mit dem Jürgen Klopp über Wochen aus der Bundesliga
       verabscheidet wurde – inklusive wehmütiger Betrachtungen darüber, dass dies
       jetzt sein letztes Auswärtsspiel in Dingens und seine letzte Heimpartie
       gegen Dangens gewesen sei –, begann die erste Saison ohne ihn eigentlich
       recht unspektakulär.
       
       Natürlich hätte Kloppo mindestens Fünfnull, ach was, Sechsnull gegen
       Gladbach gewonnen und außerdem am nächsten Wochenende gegen Ingolstadt ganz
       sicher zweistellig, aber wie schon zahllose Kickexperten vor dem Anpfiff
       feststellten: Tuchel ist eben nicht Klopp.
       
       Ein wenig verdattert wirkte die nationale Fußballauskenneria dann aber
       doch, denn natürlich hatte niemand ahnen können, dass es in der Kickerei
       wie im wirklichen Leben ist: Jeder ist ersetzbar, und was Herr und Frau
       Müllermeierschmitz nach Rente oder Rausschmiss erst schmerzlich lernen
       müssen, nämlich dass an ihrer Stelle einfach jemand anderes weitermacht,
       wenn auch etwas anders – und nein danke, es ist nicht nötig, dass Sie
       vorbeikommen, um kurz auszuhelfen oder Tipps zu geben –, ist in der
       Bundesliga nicht wesentlich anders.
       
       Und so tat Klopp das, was in solchen Situationen überall das Klügste ist:
       Wegbleiben und Urlaub machen, statt sich auf der Tribüne anzugucken, wie es
       auch ohne ihn läuft.
       
       Noch putziger anzusehen als die Verwunderung darüber, dass der BVB
       tatsächlich auch ohne Kloppo zu kicken in der Lage ist und nicht etwa
       gleich nach dem ersten Spieltag von den Verantwortlichen resigniert aus dem
       laufenden Spielbetrieb abgemeldet wurde, sind die Reaktionen auf die Neuen
       in der Liga, speziell den SV Darmstadt.
       
       Okay, vermutlich hat der Sensationsaufsteiger in der letzten Saison davon
       profitiert, dass die Konkurrenz „Das meinen die doch sicher nicht ernst“
       sagte und insgeheim davon ausging, dass der Verein mit dem floralen Wappen
       sicher im letzten Moment noch absichtlich verlieren würde, um lieber hübsch
       gemütlich in Liga zwei zu bleiben.
       
       ## Unkraut auf der Heimtribüne
       
       Aber, aaber: Warum ein aus erfahrenen, wenn auch anderswo nicht mehr
       übermäßig gewollten Profis bestehendes Ensemble nicht eine ganz brauchbar
       Fußball spielen könnende Mannschaft werden sollte, bleibt ein Rätsel. Das
       Rätsel lässt sich vielleicht lösen, wenn man weiß, dass auf der Heimtribüne
       ein bisschen Unkraut wächst und die Mannschaftskabinen nur soliden
       Vintage-Charme haben. Die sollen Fußball spielen können?
       
       Ja, denn es sind ja vor allem solche Profiexemplare, die bei anderen
       Vereinen aussortiert wurden und die nun durch gute Leistungen beim
       Aufsteiger die prima Möglichkeit nutzen, das zu tun, was Herr und Frau
       Müllermeierschmitz nach ihrem Ausscheiden aus der Firma auch gern tun
       würden: Es der gemeinen ehemaligen Firma noch mal so richtig zeigen.
       
       Ein paar Lehren hat der Auftakt also für uns bereitgehalten: Auch, wer
       nicht ganz so viel Geld verdient, kann vielleicht Fußballspielen. Auch, wer
       nicht Klopp heißt, kann vielleicht eine Mannschaft trainieren. Und auch,
       wenn man auf Unkraut steht, kann man Erstligafußball live erleben. Und:
       Gerade, wer nicht so viel Bohei um Trainer, Mannschaft, Stadion und den
       Merchandisingkram macht, ist cooler.
       
       16 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Elke Wittich
       
       ## TAGS
       
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