# taz.de -- Massenproteste in Brasilien: „Dilma und die Arbeiterpartei raus“
> Der Druck auf Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff steigt. Fast eine
> Million Menschen protestierten gegen die ökonomische Krise und
> Korruption.
IMG Bild: Sonntag, 16. August: Demonstrantinnen in São Paulo.
Rio de Janeiro dpa | Bei den größten Protesten seit Monaten fordern
Demonstranten die Ablösung von Präsidentin Dilma Rousseff. Nach Angaben der
Polizei gingen in Brasilien über 860.000 Menschen am Sonntag auf die
Straße, die meisten wurden in São Paulo gezählt.
Die Angaben schwanken allerdings, das Institut Datafolha sprach hier von
135.000 Menschen. In über 100 Städten wurde gegen die ökonomische und
politische Krise im fünftgrößten Land der Welt protestiert – vor allem
gegen den größten Korruptionsskandal der Geschichte, in den auch die
regierende Arbeiterpartei verstrickt ist.
Es war bereits die dritte Protestwelle in diesem Jahr, sie erreichte aber
nicht die Zahl von 1,7 Millionen Demonstranten wie Mitte März. Laut einer
Umfrage sind 66 Prozent für ein Amtshebungsverfahren durch den Kongress zur
Ablösung der linksgerichteten Präsidentin, obwohl Rousseff erst im Oktober
2014 für eine zweite Amtszeit gewählt worden war. Aber der Protest richtete
sich auch gegen Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, in der Hauptstadt
Brasilia war eine riesige aufgeblasene Lula-Figur in gestreifter
Häftlingsuniform zu sehen.
Bei überhöhten Vertragsabschlüssen für Bauaufträge sollen Politiker über
Jahre Provisionen kassiert haben. Rousseff bestreitet jede Verwicklung. Das
System soll einen Schaden von mehreren Milliarden Euro angerichtet haben.
Dabei geht es im Kern um Geschäfte von Baukonzernen wie Odebrecht und dem
größten Unternehmen des Landes, Petrobras. Mehrere Top-Manager wurden
festgenommen – sie müssen lange Haftstrafen fürchten, ebenso die darin
verstrickten Politiker.
Aber nicht nur die Arbeiterpartei ist in den Skandal verwickelt. Der der
Annahme von fünf Millionen US-Dollar verdächtigte Eduardo Cunha, Präsident
des Abgeordnetenhauses und führender Kopf ihres wichtigsten
Koalitionspartners PMDB, fühlt sich wegen der Vorwürfe ungerecht behandelt
und arbeitet gegen Rousseff. Das erschwert den Abschluss von Spar- und
Reformmaßnahmen – und sorgt für politische Lähmung.
## Krisensitzung einberufen
Tausende Menschen demonstriertenan an der Copacabana in Rio. Einige
Demonstranten trugen T-Shirts des Richters Sérgio Moro, der in dem „Lava
Jato“-Skandal auch vor großen Namen keinen Halt macht – und mit der
Bundespolizei rigoros aufräumt. Rousseff berief wegen der Proteste eine
Krisensitzung mit ihren engsten Ministern ein, um die Lage zu analysieren,
berichtete die Agência Brasil. In Rio forderten Demonstranten auf Plakaten,
Rousseff und Lula müssten ins Gefängnis. „Raus mit Dilma und der
Arbeiterpartei“, stand auf anderen Bannern.
Die Menschen sangen die Nationalhymne, schwenkten Brasilien-Flaggen, in Rio
forderten einzelne Demonstranten ein Eingreifen des Militärs, um Rousseff
aus dem Amt zu jagen, während sich direkt daneben Tausende lieber am Strand
der Copacabana sonnten. Aufgerufen zu den Kundgebungen hatte unter anderem
das Bündnis „Movimento Brasil Livre“. Auch Vertreter der
Mitte-Rechts-Opposition um den Rousseff 2014 unterlegenen Aécio Neves
unterstützen die Proteste am Sonntag.
Viele Bürger sorgt neben der Korruptionsaffäre die hohe Inflation – sie
kletterte im Juli auf fast zehn Prozent binnen eines Jahres. Dadurch ächzen
viele Brasilianer unter steigenden Preisen. Gesunkene Rohstoffpreise
schwächen die Wirtschaftsleistung, der Konsum ist eingebrochen. Viele
Bürger fürchten um ihre Jobs. Bei einer weiteren Abwertung durch
Ratingagenturen droht ein Abzug von Investoren.
17 Aug 2015
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