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       # taz.de -- Schüsse in französischem Schnellzug: Schütze mutmaßlicher Islamist
       
       > Möglicherweise sind Hunderte Fahrgäste auf dem Weg nach Paris nur knapp
       > einem Blutbad entkommen. Mutige Passagiere überwältigen den Angreifer.
       
   IMG Bild: Belgien und Frankreich erhöhen die Polizeipräsenz auf Bahnhöfen und in Zügen.
       
       Arras dpa | Nach den Schüssen in einem Thalys-Zug gehen
       Anti-Terror-Ermittler einem möglichen islamistischen Hintergrund nach. Ein
       Mann hatte im Hochgeschwindigkeitszug von Amsterdam nach Paris am frühen
       Freitagabend mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr das Feuer eröffnet.
       
       Möglicherweise verhinderte nur das beherzte Eingreifen eines Franzosen und
       zweier Amerikaner, die den Schützen niederrangen, ein Blutbad. Der
       französische Innenminister Bernard Cazeneuve lobte wie US-Präsident Barack
       Obama den Mut dieser Passagiere. Zwei Menschen wurden bei dem Vorfall
       schwer verletzt.
       
       Falls der Mann seine korrekte Identität genannt habe, sei er von den
       spanischen Behörden als Angehöriger der radikalislamistischen Bewegung
       gemeldet worden, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve am
       Samstag in Paris. Der Verdächtige ist demnach 26 Jahre alt und Marokkaner.
       Dies sei allerdings noch nicht mit Sicherheit überprüft.
       
       Die für Terrorismus zuständige Pariser Staatsanwaltschaft zog den Fall an
       sich, machte zunächst aber keine Angaben zum Motiv des Täters. Belgiens
       Premierminister Charles Michel hatte bereits am Freitag von einem Terrorakt
       gesprochen, und auch Cazeneuve nannte den Mann in seiner Rede einen
       Terroristen – im anschließend verbreiteten Redetext fehlte dieses Wort
       allerdings.
       
       ## Pistole und zehn Magazine
       
       Der Verdächtige selbst bestritt im Verhör terroristische Absichten, wie die
       französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Polizeikreise
       meldete. Die Ermittler hielten seine Angaben aber nicht für glaubwürdig.
       Der Mann wurde am frühen Samstagmorgen in einen Vorort von Paris gebracht
       und kann zunächst bis zu 96 Stunden in Gewahrsam gehalten werden. Er hatte
       in dem Zug neben der Kalaschnikow auch eine Pistole und zehn Magazine bei
       sich.
       
       Der Thalys war nach einem Halt in Brüssel gerade im belgisch-französischen
       Grenzgebiet unterwegs, als ein Franzose auf dem Weg zur Zugtoilette
       plötzlich dem Mann mit der Kalaschnikow gegenüberstand. Der Fahrgast
       versuchte, ihn zu überwältigen, dabei fielen nach Angaben Cazeneuves
       mehrere Schüsse.
       
       Zwei amerikanische Soldaten kamen zu Hilfe: „Wir haben einen Schuss und
       berstendes Glas gehört“, beschrieb Alek Skarlatos die Szene vor
       Journalisten. Mit einem weiteren Militär stürzte er sich auf den Täter und
       rang ihn nieder. „Wir haben ihn gegen den Kopf geschlagen, bis er
       bewusstlos war.“ Der US-Sender CNN verbreitete ein Video, das den Schützen
       mit gefesselten Armen auf dem Boden des Zugs zeigen soll. Einer der
       Amerikaner wurde mit einem Cutter-Messer verletzt. Ein Schuss traf einen
       Franko-Amerikaner an seinem Platz. Beide schweben nicht in Lebensgefahr.
       Der Vorfall geschah gegen 17.45 Uhr.
       
       Die Fahrgäste hätten damit möglicherweise ein „furchtbares Drama“
       verhindert, sagte Cazeneuve. In sozialen Netzwerken feierten Nutzer sie als
       Helden, auch US-Präsident Barack Obama lobte den Mut der Männer. Der
       französische Präsident François Hollande will sie in den kommenden Tagen im
       Élyséepalast empfangen.
       
       ## Polizeibekannter Islamist
       
       Frankreich war in den vergangenen Monaten wiederholt Ziel von
       Terroranschlägen oder –plänen mit islamistischem Hintergrund. Im Januar
       schockierten die blutigen Attacken auf die Redaktion des Satiremagazins
       „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt das Land. In der Region
       Paris gilt die höchste Terrorwarnstufe.
       
       Der französische Inlandsgeheimdienst DGSI hatte den mutmaßlichen Islamisten
       nach der Information durch die Spanier im Februar 2014 in seine Kartei
       aufgenommen. Nach bisherigen Erkenntnissen soll er im vergangenen Jahr in
       Spanien und 2015 in Belgien gelebt haben. Die belgische Staatsanwaltschaft
       eröffnete ebenfalls ein Verfahren und will eng mit den Franzosen
       zusammenarbeiten.
       
       In Thalys-Zügen patrouillieren nach der Attacke nun Polizisten. Zurzeit
       seien dies französische Sicherheitskräfte, es werde aber auch erwogen,
       belgische und niederländische Polizisten einzusetzen, sagte eine Sprecherin
       der belgischen Bahngesellschaft SNCB der Nachrichtenagentur Belga.
       
       22 Aug 2015
       
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