# taz.de -- Fair gehandelte Smartphones: Schmerzfrei telefonieren
> Tantal steckt in fast jedem Smartphone. Die Produktionsbedingungen sind
> alles andere als fair. Eine Goslarer Firma geht neue Wege.
IMG Bild: Das Schürfen nach Coltan soll zukünftig unter menschenwürdigen Bedingungen stattfinden.
Bremen | taz Früher ein Profiteur von Kinderarbeit – heute in der
Vorreiterrolle: Das Goslarer Unternehmen H.C. Starck verspricht,
ausschließlich konfliktfreies Tantal zu verarbeiten. Dafür wurde es von der
Conflict Free Sourcing Initiative (CFSI) zertifiziert.
Das seltene Metall ist für den Elektronikmarkt von großer Bedeutung. In
nahezu jedem Smartphone stecken Kondensatoren aus Tantal, das aus dem Erz
Coltan gewonnen wird. Doch der Abbau ist mit Konflikten behaftet –
besonders im Osten des Kongo, einem der größten Abbaugebiete. „Die
Arbeitsbedingungen sind in den meisten Minen sehr schlecht“, sagt Friedel
Huetz-Adams, Rohstoffexperte beim Südwind-Institut. Sie seien oft
unzureichend gesichert, immer wieder komme es zu Unfällen. „Auch
Kinderarbeit ist weit verbreitet.“
Anfang der 2000er-Jahre wurde die Firma H.C. Starck, damals noch
Bayer-Tochter, für ihre Rohstoffbeschaffung kritisiert, unter anderem in
einem UN-Bericht. „Wir haben daraus gelernt und Prüfmechanismen
erarbeitet“, sagt Unternehmenssprecherin Ulrike Reich. Die Kritik sei
Auslöser dafür gewesen, aber nicht der alleinige Grund. Jetzt durchlaufen
alle Rohstoffangebote mehrere Prüfungen. „Wir schauen, ob der Anbieter
selbst zertifiziert ist oder womöglich auf einer Blacklist steht“, sagt
Reich. Der gesamte Prozess könne mehrere Monate dauern. „Am Ende bleiben
vielleicht noch zwei, drei übrig.“
Mit der Zertifizierung erfüllt das Unternehmen globale Richtlinien, etwa
den Dodd-Frank-Act. Das Gesetz verpflichtet börsennotierte US-Firmen zu
mehr Transparenz. Das betrifft auch deutsche Zulieferer. Sie müssen seit
2013 offenlegen, ob die verarbeiteten Mineralien aus der Konfliktregion im
Kongo stammen. Noch fehlt in Deutschland eine vergleichbare Regelung; die
EU arbeitet an einem Entwurf.
Der Dodd-Frank-Act habe jedoch nicht nur Vorteile, sagt Matthias Baier von
der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). „Er hält
einige Unternehmen davon ab, Mineralien aus dem Kongo zu beziehen.“ Die
Nachweise seien ihnen zu aufwendig. Stattdessen kauften sie in
Industrienationen wie Australien ein. Für den Kongo sei das ein Desaster.
Von ihrem Sitz in Hannover aus kämpft die BGR gegen den illegalen Abbau von
Konfliktmineralien. Gemeinsam mit dem kongolesischen Staat baut sie ein
Zertifizierungssystem auf. Um darin gelistet zu werden, müssen die Minen
strikte Auflagen erfüllen. Sie dürfen weder kriminelle Organisationen
unterstützen noch Kinder- und Zwangsarbeit betreiben. Ebenso spielen faire
Löhne, Sicherheitsstandards und Umweltschutz eine Rolle.
Das Ziel der BGR ist ehrgeizig: Bis zum Projektende 2017 sollen 60 Prozent
der Rohstoffe aus ostkongolesischen Minen als konfliktfrei deklariert sein.
Das hatte man sich ursprünglich schon Ende 2015 erhofft. „Die Aufgabe ist
unglaublich groß“, sagt Baier. Bislang sind erst drei Minen zertifiziert,
50 Gruben befinden sich in den Audits. Viele seien schwer zu erreichen, es
fehle an Straßen und Infrastruktur.
Mit bis zu 2.500 Minen gehört die Region im Osten des Landes zu den größten
Abbaugebieten von Mineralien weltweit. Oft werden diese nach Ruanda
geschmuggelt und gelangen so auf den internationalen Markt. Mit dem Handel
finanzieren Rebellengruppen ihre Waffen für blutige Konflikte.
Bei den Verbrauchern scheint das langsam anzukommen. Manchmal, sagt Ulrike
Reich von H.C. Starck, melden sich sogar Handynutzer bei ihr. „Die wollen
dann wissen, in welchem Smartphone unser konfliktfreies Tantal steckt.“ Das
sei allerdings schwer zu beantworten. „Oft stehen noch drei, vier
Unternehmen zwischen uns und dem fertigen Produkt.“
8 Sep 2015
## AUTOREN
DIR Laurin Meyer
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