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       # taz.de -- Staatsanwaltschaft prüft Fluchthelfer: Das Ticket nach Schweden
       
       > Lübecker sammeln Spenden, um Flüchtlingen Tickets nach Schweden zu
       > kaufen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sich die Helfer damit strafbar
       > machen.
       
   IMG Bild: Warten auf die Fähre nach Göteborg: Flüchtlinge am Kieler Schwedenkai
       
       Hamburg taz | Mitgezählt hat Heike Behrens vom [1][Lübecker
       Flüchtlingsforum] irgendwann nicht mehr. 1.500 Menschen, schätzt sie, hat
       die Initiative seit vergangenem Mittwoch die Weiterreise nach Skandinavien
       ermöglicht. Die meisten Geflüchteten wollen nach Schweden, manche nach
       Finnland, dahin wo ihre Familien oder Freunde sind. Die Unterstützer kaufen
       den Flüchtlingen Tickets für die Fähren ab Travemünde nach Malmö oder
       Trelleborg – und leisten damit Fluchthilfe.
       
       „Man kann Menschen nicht aufhalten“, ist Behrens überzeugt. Die Flüchtlinge
       gingen dorthin, wo sie eine Perspektive für sich und ihre Familien sähen.
       „Das ist ihr Menschenrecht“, sagt sie. Deshalb besorgen Behrens und ihre
       Mitstreiter nun Fahrscheine. Zwischen 30 und 40 Euro kosten die ohne eigene
       Kabine. Manche Flüchtlinge könnten die Kosten dafür selbst aufbringen,
       andere hätten nach der langen Flucht kein Geld mehr. Das Flüchtlingsforum
       kauft die Tickets dann mit Spendengeldern. Es gibt sogar ein Spendenkonto.
       
       Wichtiger als das Geld seien aber die vielen ehrenamtlichen Übersetzer,
       ohne die die Flüchtlinge die Fahrscheine gar nicht lösen könnten, sagt
       Behrens – viele davon seien selbst aus ihren Heimatländern geflüchtet. Auf
       der Wallhalbinsel „Walli“ an der Lübecker Altstadt ist eine Art Zentrale
       der Unterstützer entstanden. Im [2][selbstverwalteten Kulturzentrum
       „Alternative“] gibt es rund um die Uhr warmes Essen, Kleidung und
       Feldbetten für die Menschen auf der Durchreise. „Manche schlafen hier im
       Stehen ein“, sagt Behrens.
       
       Sie ist selbst müde. Gerade hat sie eine Nachtschicht in der Alternative
       hinter sich und arbeitet nun in ihrer Logistikfirma. Für Schlaf ist keine
       Zeit. Unterstützer in Hamburg kündigen den Lübeckern Züge an, in denen
       Flüchtlinge sitzen. Sie werden dann von Helfern am Bahnhof abgeholt.
       Manchmal stehen aber auch Menschengruppen ohne Ankündigung vor der Tür des
       Flüchtlingsforums. „Sie kennen die Anlaufstelle durch soziale Netzwerke“,
       sagt Behrens.
       
       Der Lübecker Sozialsenator Sven Schindler (SPD) hat sich die Situation vor
       Ort angesehen: „Die Leute auf der Walli handeln unkonventionell und
       schnell.“ Dies sei beeindruckend und der Notsituation angemessen, findet
       Schindler. Insbesondere, da die Stadt Lübeck oder das Land
       Schleswig-Holstein die Ticketkäufe nicht übernehmen könne.
       
       Juristisch könnte dies als Beihilfe zum [3][Verstoß gegen das
       Aufenthaltsgesetz] gewertet werden, also als Beihilfe zur Schleuserei. „Ich
       appelliere aber an den gesunden Menschenverstand“, sagt Schindler. In
       dieser Ausnahmesituation müsse die Staatsanwaltschaft die Hilfe
       „unkonventionell bewerten“.
       
       Auch der Lübecker Oberstaatsanwalt Ralf-Peter Anders versichert, man werde
       nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Dennoch müsse geprüft werden, ob
       sich die Unterstützer strafbar machten. Dagegen spräche, dass die
       Freiwilligen den Flüchtlingen nicht den illegalen Aufenthalt in Deutschland
       ermöglichen wollten, sagt Anders.
       
       Doch auch das Durchschleusen von Ausländern sei per Gesetz verboten. Bis zu
       einem Jahr Freiheitsstrafe steht darauf. „Wir werden im Einzelfall prüfen,
       ob wir ein Ermittlungsverfahren einleiten“, sagt der Staatsanwalt.
       
       Behrens fürchtet die Strafverfolgung nicht. „Ich glaube nicht, dass es hier
       tausend Verfahren geben wird.“ Die Zahl der Helfer steige ständig. „Immer
       steht jemand neues in der Tür“, sagt sie.
       
       In Schleswig-Holstein ist das Flüchtlingsforum nicht die einzige
       Organisation, die Flüchtlinge durch die Finanzierung von Fahrscheinen
       unterstützt. Auch die Landespolizei bezahlte vergangene Woche 150
       Flüchtlingen die Überfahrt von Kiel nach Schweden, als die Grenze zu
       Dänemark geschlossen war. „Es war eine Einzelfallentscheidung, um die Lage
       am Flensburger Bahnhof entspannen zu können“, sagt Polizeisprecherin Sandra
       Mohr. Weitere finanzielle Hilfen seien nicht geplant.
       
       Behrens vom Flüchtlingsforum machen solche Entwicklungen Mut: „Das ist ein
       Riss in der tödlichen Mauer von Europa.“
       
       15 Sep 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.facebook.com/fluechtlingsforum
   DIR [2] http://www.walli-bleibt.de/
   DIR [3] http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__96.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Scharpen
       
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