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       # taz.de -- Wahl in Guatemala: Komiker gegen die Systemkrise
       
       > Der Rücktritt des Präsidenten hat für einen ruhigen Wahltag gesorgt. Doch
       > die politische Krise geht weiter: Gegen Kandidaten wird ermittelt.
       
   IMG Bild: Das Siegeszeichen ist zu früh: Jimmy Morales führt zwar, muss sich aber vermutlich einer Stichwahl stellen.
       
       Guatemala-Stadt taz | Victor Hugo Roaes schreitet mit federndem Schritt aus
       dem Wahllokal gegenüber, dem mit guatemaltekischen Fahnen drapierten
       Congreso, dem nationalen Parlament. „Ich habe gewählt, um neue Leute in die
       Verantwortung zu bringe. Guatemala braucht einen Umbruch, und den muss die
       Bevölkerung von unten kontrollieren“, erklärt der 55-jährige Schriftsteller
       und Dramaturg.
       
       Er hat für ein neues Gesicht im politischen Geschäft gestimmt, für den
       politisch vollkommen unerfahrenen Komiker und Schauspieler Jimmy Morales.
       Der ist vor allem in Guatemalas Hauptstadt populär, weil er nicht für die
       traditionellen Strukturen steht – das bedeutet in Guatemala wie in anderen
       lateinamerikanischen Ländern nicht für Korruption und nicht für die
       typischen Seilschaften zwischen den politischen Parteien.
       
       Gegen die sind die Guatemalteken seit Mitte April jeden Samstag auf die
       Straße gegangen. Mit dem Rücktritt von Präsident Otto Pérez Molina haben
       sie zumindest einen Teilerfolg erreicht: Der ehemalige General musste die
       Wahlen in U-Haft verfolgen und auch das Bündnis, welches ihm lange den
       Rücken stärkte, ist zerbrochen.
       
       Seine patriotische Partei, hinter der die Armee steht, hat den Rückhalt des
       einflussreichen Unternehmerverbandes Cacif verloren und konkurriert nun mit
       dem ehemaligen Bündnispartner Líder (Libertad Democrática Renovada). Gegen
       dessen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft und ein halbes Dutzend
       weitere Kandidaten ermittelt bereits die Cicig, die UN-Kommission gegen die
       Straflosigkeit in Guatemala. Das hat der Partei vor allem in den großen
       Städten massive Stimmeinbrüche beschert.
       
       Lange hatte Líder und ihr Präsidentschaftskandidat Manuel Baldizón, ein im
       Norden Guatemalas reich gewordener Geschäftsmann und Anwalt, die Umfragen
       angeführt. Doch in den letzten Wochen kam der Einbruch, und den konnte auch
       die Präsenz von Líder auf dem Land nicht aufhalten, wo Berichten zufolge
       Wahlgeschenke wie ein Sack Düngemittel verteilt wurden oder dreihundert
       Quetzal, umgerechnet 35 Euro.
       
       Nach Auszählung von mehr als fünfzig Prozent der Stimmen ist absehbar, dass
       sich Jimmy Morales und Manuel Baldizón in einer Stichwahl am 25. Oktober
       gegenüberstehen werden. Morales führt die Auszählung mit 26,5 Prozent der
       Stimmen an, gefolgt von Baldizón mit knapp 18 Prozent. Allerdings beträgt
       der Abstand zwischen Líder und der sozialdemokratisch orientierten UNE nur
       einen Prozentpunkt, so dass die Drittplatzierte, Sandra Torres, es noch in
       die Stichwahl schaffen könnte.
       
       Positiv strich das nationale Wahlgericht die Wahlbeteiligung von rund 78
       Prozent heraus – angesichts der Glaubwürdigkeitskrise der Politik ein
       beachtlicher Wert. Allerdings wählten knapp vier Prozent der Wähler
       ungültig und etwa 4,5 Prozent der Stimmberechtigten gaben einen weißen
       Stimmzettel ab.
       
       Besonders hoch war die Zahl der Protestwähler in der Hauptstadt
       Guatemala-Stadt, wo sich in den letzten Monaten des Protests viele Gruppen
       gebildet haben, die auf Reformen drängen. „Business as usual wird es nicht
       geben, denn eine Reform der Wahlgesetze, die Korruption zu wenig ahnden und
       den Wechsel von einer zur anderen Partei tolerieren, ist eine zentrale
       Forderung“, so der Filmemacher Sergio Valdés Pedroni.
       
       7 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
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