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       # taz.de -- Fledermäuse in Deutschland: Opfer der Gentrifizierung
       
       > In den Städten leben wieder mehr Fledermäuse. Doch die „Batnight 2015“
       > mahnt: Agrargifte und Sanierung von Altbauten bedrohen sie.
       
   IMG Bild: Dank Radar sicher auch im Dunkeln: Fledermaus.
       
       BERLIN taz | Am Samstagabend lohnt sich der Blick in die Dämmerung
       besonders – es ist immerhin „Batnight“, die Nacht der Fledermäuse. Seit
       1997 wird die Nacht europaweit in über 30 Ländern der Fledermaus gewidmet,
       um auf die Gefährdung der Art aufmerksam zu machen.
       
       Der Naturschutzbund, [1][der die Nacht in Deutschland organisiert], bietet
       dabei verschiedenste Aktionen in ganz Deutschland an, von
       Fledermaus-Exkursionen bis zur Schulung für Fledermausbotschafter.
       
       Mittlerweile lassen sich die fliegenden Säugetiere wieder häufiger blicken.
       Die Bestände haben sich leicht erholt, waren aber einmal viel größer. „Seit
       Anfang des vergangenen Jahrhunderts gab es einen massiven Einbruch bei den
       Populationen“, sagt Christian Voigt vom Leibnitz-Institut für Zoo- und
       Wildtierforschung in Berlin. Schuld am Fledermaussterben waren vor allem
       die Insektizide und Pestizide in der Landwirtschaft. Seit die Tiere unter
       strengen Naturschutz stehen, hat sich die Situation verbessert. Konkrete
       Zahlen über die Bestände sind aber nicht zu bekommen.
       
       Besonders gefährdet seien heutzutage vor allem Arten, die in Bäumen wohnen,
       wie der Große Abendsegler, die im Winter in wärmere Gefilde ziehen. Denn
       ihnen drohen neue Gefahren: „Während ihrer Wanderung geraten viele
       Fledermäuse in Windparks. Pro Jahr werden allein in Deutschland 300.000
       Fledermäuse von Windrädern erschlagen, das ist ein massiver Verlust“, klagt
       Voigt.
       
       Dieses Problem könne man lösen, indem man die Windräder zu bestimmten
       Zeiten abstelle, so Voigt - und das aus seiner Sicht, ohne auf grünen Strom
       zu verzichten. Denn die Rotoren beginnen erst bei Windgeschwindigkeiten von
       etwa fünf Meter pro Sekunde, Strom zu produzieren, drehen sich aber schon
       vorher. „Ab sechs oder sieben Meter aber fliegen Fledermäuse nicht mehr“,
       sagt der Experte. „Wenn man die Anlagen erst dann anschaltet, würde man
       viel für die Tiere tun“.
       
       ## Die flatternden Nachtschwärmer lieben Berlin
       
       Insgesamt tummeln sich 25 Arten der nachtaktiven Räuber in Deutschland, von
       der Zwergfledermaus, die mit fünf Zentimetern Größe gerade einmal fünf
       Gramm auf die Waage bringt, bis zum großen Abendsegler mit einer
       Flügelspannweite von bis zu 40 Zentimetern. Besonders wohl fühlen sich die
       Nachtschwärmer in Berlin: In keiner anderen mitteleuropäischen Stadt leben
       so viele Fledermäuse wie in der deutschen Hauptstadt. Allein in der
       Zitadelle Spandau überwintern Jahr für Jahr an die 10.000 Tiere. Ein Grund
       dafür: 1987 errichtete die Stadt 21 Winterquartiere für die Tiere, um
       verlorenes Terrain wiederherzustellen.
       
       Denn auch Berlin ist kein Paradies für Fledermäuse. Wo immer mehr Altbauten
       saniert werden, verschwinden die Unterschlupfmöglichkeiten für den
       Winterschlaf. „Der größte Feind der Fledermaus ist der Mensch, weil wir
       alle Quartiere zumachen“, erklärt Sandra Schwarze. Sie bietet im Spandauer
       Fort Hahneberg, einem ungenutzen Ziegelfestung aus Kaiserzeiten vor den
       Toren Berlins, Fledermausführungen an. Hier überwintern tausende der
       Flattermänner und -frauen.
       
       Gerade jetzt im Spätsommer können sich Fledermäuse auch schon mal in
       belebte Wohnungen verirren, wenn die Jungtiere nach einem Winterquartier
       suchen. Ist es nur Batman mit seinem Freund Robin, dann helfe es, Fenster
       und Türen zu öffnen, sagt Florian Lehmann vom Berliner Artenschutzteam BAT,
       das in der Zitadelle Spandau verletzte Tiere aufpäppelt. „Aber es gibt aber
       auch Fälle, in denen sich während des Urlaubs 80 oder 90 Tiere in einer
       Wohnung eingenistet haben“. Da hilft ein Anruf beim BAT, das die Tiere
       abholt und wieder in die Natur entlässt. Lehmann ist optimistisch: Die
       Bestände erholten sich und die Hilfsbereitschaft der Menschen sei enorm
       gestiegen.
       
       Und er gibt Entwarnung für alle, die zu viele Dracula-Filme gesehen haben:
       Gefährlich sind die kleinen Tiere, die zu Unrecht oft als Blutsauger
       bezeichnet werden, wirklich nicht: „Grundsätzlich beißen Fledermäuse nicht.
       Man sagt, das beim Anfassen von hundert Tieren ungefähr ein halber Biss
       passiert“, erklärt Lehmann.
       
       28 Aug 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/batnight/index.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannah Kappenberger
       
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