# taz.de -- Regierungskritik in der Türkei: Polizei durchsucht Medienkonzern
> Die Zeitung „Bugün“ hatte über angebliche türkische Waffenlieferungen an
> den IS berichtet. Jetzt hat die Polizei ihre Zentrale sowie
> Privatwohnungen durchsucht.
IMG Bild: Erdogan hatte auch mal den Chefredakteur der türkischen Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ verklagt – ebenfalls wegen der Berichterstattung über Waffenlieferungen
Istanbul afp | Die türkische Polizei hat am Dienstag die Zentrale eines
regierungskritischen Medienkonzerns durchsucht. Die Polizeiaktion gegen die
Koza-Ipek-Holding sei ein Versuch, die Presse zum Schweigen zu bringen,
erklärte Erhan Basyurt, Chefredakteur der zum Konzern gehörenden Zeitung
Bugün, auf Twitter.
Auch Privatwohnungen der Inhaberfamilie sowie eine zum Konzern gehörende
Universität wurden durchsucht. Gründe wurden zunächst nicht mitgeteilt.
Bugün berichtete in seiner Dienstagsausgabe über angebliche
Waffenlieferungen aus der Türkei an die Dschihadistenmiliz Islamischer
Staat (IS) in Syrien. Ob die Aktion vom Dienstag mit der
IS-Berichterstattung von Bugün zusammenhing, blieb zunächst offen. Der
Koza-Ipek-Konzern, der sich auch im Bergbau und im Energiesektor engagiert,
steht der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen nahe.
Gülen, ein ehemaliger Unterstützer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip
Erdogan, hatte sich vor zwei Jahren mit der Regierung überworfen. Seitdem
wirft Erdogan dem in den USA lebenden Gülen einen Umsturzversuch vor. Gülen
weist den Vorwurf zurück.
Die Aktion gegen Bugün und den Konzern kam nicht völlig überraschend. Ein
anonymer Informant aus den Reihen der türkischen Führung, der sich „Fuat
Avni“ nennt und auf Twitter schon häufig Aktionen Erdogans gegen seine
Kritiker vorausgesagt hat, hatte in den vergangenen Wochen über einen
bevorstehenden Versuch des Präsidenten berichtet, regierungskritische
Medien vor der Parlaments-Neuwahl im November unter Druck zu setzen.
Kritiker innerhalb und außerhalb der Türkei werfen der Regierung in Ankara
vor, die IS-Miliz im türkisch-syrischen Grenzgebiet lange geduldet oder
sogar unterstützt zu haben, was die Regierung bestreitet. Der Chefredakteur
der Oppositionszeitung Cumhuriyet, Can Dündar, war nach Berichten über
Waffenlieferungen an die Dschihadisten von Erdogan persönlich verklagt
worden.
Die türkische Regierung steht seit langem wegen ihres Vorgehens gegen
Journalisten in der Kritik. Zuletzt waren im kurdischen Südostanatolien
zwei britische Journalisten wegen des Vorwurfs der Unterstützung des IS in
Untersuchungshaft genommen worden. Die für den in den USA ansässigen
Internet-Sender Vice News tätigen Journalisten waren festgenommen worden,
als sie Unruhen im Südosten der Türkei dokumentierten. Die türkische
Regierung geht in dem mehrheitlich kurdischen Gebiet derzeit militärisch
gegen kurdische Rebellen vor.
1 Sep 2015
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