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       # taz.de -- Arte-Doku über New Orleans und Katrina: Die Stadt hat den Blues
       
       > Vor gut zehn Jahren zerstörte der Hurrikan Katrina die Stadt in
       > Louisiana. Eine Dokumentation zeigt, wie die Menschen jetzt damit leben.
       
   IMG Bild: Trauerparade für den Musiker Travis „Trumpet Black“ Hill
       
       Der Film sieht genauso aus, wie eine Doku zu der amerikanischen
       Fernsehserie „Treme“ aussehen müsste. Diese Serie von David Simon, dem
       Erfinder von „Homicide“ und „The Wire“, ist wiederum geprägt durch einen
       extrem dokumentarischen Stil.
       
       Es geht um New Orleans nach „Katrina“, jenem Hurrikan, der die Stadt 2005
       verwüstet hat. Darum, wie die Bewohner versuchen, ihr Leben und die Stadt
       wiederaufzubauen. Sämtliche Bewohner – von denen jeder jeden kennt – hat
       etwas mit Musik zu tun. Jazz, Rock, Blues. Die wenigen Ausnahmen, auf die
       das nicht zutrifft, haben dafür mit Karneval, Mardi Gras oder mit Kochen zu
       tun. Jambalaya, Gumbo. Wenigstens aber sind sie Aktivisten, die die
       besondere Kultur der Stadt, bestimmt durch Musik und Cajun-Küche, bewahren
       wollen; „diese afro-mediterrane kreolische Lebenskultur, die New Orleans
       vom Rest Nordamerikas unterscheidet.“
       
       Zum Beispiel der Musiker, DJ und hyperaktive Davis McAlary, gespielt von
       Steve Zahn. Wenn er in seiner Bude am Klavier sitzt und einen neuen Song
       komponiert, klingt er nicht nur so, er sieht auch haargenau so aus wie die
       schlankere Version von Davis Rogan. Und siehe da – das ist dann schnell
       recherchiert –, eben dieser Davis Rogan diente den „Treme“-Machern als
       Berater und Vorbild ihrer Figur Davis McAlary.
       
       Und so geht es weiter. Die patente Barbesitzerin, bei der sich alle
       treffen, der Polizist, der um die Überforderung seiner Kollegen während des
       Sturms weiß, die Bürgerrechtlerin, die das Staatsversagen anklagt, für
       etliche der zahlreichen von Regisseur Vassili Silovic befragten Menschen
       findet sich ein entsprechender „Treme“-Charakter.
       
       ## Wie konnte es so weit kommen?
       
       Da die Serie älter ist als der Dokumentarfilm, gibt es dafür nur zwei
       mögliche Erklärungen. Silovic ist entweder der Welt größter „Treme“-Fan und
       hat sein Personal – bewusst oder unbewusst – mit größter Voreingenommenheit
       ausgesucht. Oder das Post-„Katrina“-New Orleans ist wirklich ganz genauso
       und könnte also guten Gewissens gar nicht anders gezeigt werden. Es haben
       tatsächlich sämtliche Bewohner, von denen jeder jeden kennt, etwas mit
       Musik zu tun.
       
       Diese Bewohner haben aber viel, das sie sich von der Seele reden wollen.
       Silovic kommt deshalb mit minimalem Offkommentar aus, ein paar einordnende
       Informationen möchte er aber mitteilen: „Im September 2005 stehen 80
       Prozent der Stadt unter Wasser. 1.800 Menschen sterben. Zwei Drittel der
       Bevölkerung werden heimatlos. Erst am vierten Tag kommt organisierte Hilfe
       in die Stadt. Am Ende sind es 250.000 Menschen aus dem Großraum New
       Orleans, die dauerhaft ihre Stadt verlassen haben.“
       
       Wie konnte es so weit kommen? Die unzureichenden Dämme, von der Armee viel
       zu billig gebaut, werden angeführt. Der Journalist – Musikjournalist
       natürlich – John Swenson hat noch eine andere Erklärung parat: „Jemand hat
       einmal gesagt, kein Plan ist auch ein Plan. Damals regierten die
       Republikaner im Weißen Haus. Louisiana aber war ein durch und durch
       demokratischer Staat. Die Regierung ließ es zu, dass die Stadt zerstört
       wurde, und reagierte erst einmal nicht.“
       
       ## Schwierige Rückkehr
       
       Dazu die Bilder: George W. Bush, wie er Tage nach der Katastrophe aus dem
       Fenster seiner Air Force One auf die Stadt blickt. Grundstückspreise, die
       um das Zehnfache steigen. Ehemalige Bewohner, die sich eine Rückkehr nicht
       mehr leisten können. Neue Bewohner, die verbieten lassen, dass die alten
       Bewohner (alles Musiker) um zwei Uhr nachts mit Trompeten durch die Straßen
       laufen.
       
       „New Orleans, dieser Ort ist 2005 gestorben“, sagt ganz am Anfang des Films
       der Musiker Trumpet Black. Wer „Treme“ gesehen hat, erinnert sich, dass die
       Blechbläser aus New Orleans leidenschaftliche Fans gerade in Japan haben.
       
       Trumpet Black stirbt während einer Japan-Tournee. Tragisch, gewiss. Aber am
       Ende von Silovics Dokumentarfilm steht so eine typische New Orleanser
       Trauerfeier, wie sie in jedem fiktiven Stück über die Stadt unentbehrlich
       ist.
       
       2 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Müller
       
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