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       # taz.de -- Wende in Obamas Politik: USA entdecken die Flüchtlingsfrage
       
       > Die USA wollen rund 5.000 zusätzliche Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen.
       > Ob es mehr werden, entscheidet am Ende der US-Kongress.
       
   IMG Bild: Das Bild von Aylan Kurdi erreicht auch die Amerikaner: Senator John McCain nutzt es um Senat, um mehr Flüchtlingshilfe zu fordern
       
       NEW YORK taz | Kaum hatte US-Außenminister John Kerry erklärt, dass sein
       Land im nächsten Jahr mehr Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen will,
       antwortete der erste republikanische Präsidentschaftskandidat: „Wir tun
       genug.“ Der republikanische Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker,
       erklärte: „Das wahre Problem ist, dass die Regierung nicht genug gegen IS
       unternimmt.“
       
       Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs haben die USA lediglich 1.500
       Flüchtlinge aus dem Land aufgenommen. Die meisten davon warteten monate-
       bis jahrelang – in der Regel im Nahen Osten –, bevor die Einzelfallprüfung
       ihrer Anträge abgeschlossen war und sie in die USA weiter reisen konnten.
       Laut Kerry sollen im nächsten Jahr 5.000 bis 8.000 zusätzliche syrische
       Flüchtlinge akzeptiert werden.
       
       Ein Sprecher von US-Präsident Barack Obama räumte am Mittwoch ein, dass die
       USA eine „moralische Verantwortung“ trügen. Ein Wort mitzureden hat der von
       den Republikanern dominierte Kongress, der die finanziellen Mittel für die
       Umsiedlungen bewilligen muss.
       
       Mit einigen Kongressabgeordneten und dem Weißen Haus wird Kerry deshalb
       hinter verschlossenen Türen beraten, ob sich diese Zahl noch erhöhen lässt.
       Im laufenden Haushaltsjahr, das in diesem September endet, nehmen die USA
       70.000 Flüchtlinge aus aller Welt auf. Die größte Gruppe unter ihnen (28
       Prozent) stammt aus dem Irak, gefolgt von Birma (23 Prozent) und Bhutan (13
       Prozent). Flüchtlinge aus Syrien rangieren im laufenden Haushaltsjahr der
       USA erst an 26. Stelle.
       
       Nach Angaben von US-Kongressabgeordneten ist Kerry bereit, in einem
       nächsten Schritt die Zahl der Flüchtlinge, die aufgenommen werden, im
       nächsten Haushaltsjahr auf 100.000 zu erhöhen. Menschenrechtsgruppen
       verlangen eine sehr viel großzügigere Aufnahme von Syrern in den USA. Der
       ehemalige britische Außenminister David Miliband, Chef des International
       Rescue Committee, forderte die USA in einem Interview gar auf, allein
       100.000 Syrer aufzunehmen.
       
       Der Sprecher des Weißen Hauses dagegen erklärte, dass die USA sich bereits
       auf anderen – finanziellen – Wegen an erster Stelle an der Hilfe in der
       Flüchtlingskrise beteiligten. „Wir haben rund vier Milliarden Dollar
       gegeben, um die Aufnahmebedingungen für Migranten in Europa zu verbessern“,
       erklärte Josh Earnest. Er regte an, diese Hilfszahlungen an europäische
       Länder aufzustocken.
       
       Auch im Außenministerium erklärte Sprecher John Kirby, dass die Aufnahme
       von Flüchtlingen in den USA nur „eine unter vielen Optionen“ sei. Während
       es in den USA bislang kaum eine öffentliche Debatte über die Flüchtlinge
       aus Syrien gibt, berichteten die Medien ausführlich über die Entwicklungen
       in Ungarn. Zahlreiche Zeitungen veröffentlichten Reportagen über die
       improvisierten Komittees, die Flüchtlinge an Bahnhöfen in Österreich und in
       Deutschland in Empfang nahmen, und berichteten ausführlich über
       Bürgerinitiativen, die sie bei ihrer Ankunft unterstützen.
       
       Mehr als über Flüchtlinge aus Syrien wird in den USA über militärische
       Allianzen mit syrischen Rebellen debattiert. So bewilligte der Kongress im
       vergangenen Jahr 500 Millionen zusätzliche Dollar, um Rebellen auszubilden
       und auszurüsten. Einer jener, die das schon damals als verfehlte Politik
       kritisierten, war der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat
       John McCain.
       
       Im aktuellen Wahlkampf um die Kandidaturen zur US-Präsidentschaft spielte
       die syrische Flüchtlingskrise bis vor wenigen Tagen überhaupt keine Rolle.
       Der einzige Kandidat, der die Aufnahme von mehr syrischen Flüchtlingen
       verlangte, war der weit hinten rangierende Demokrat Martin O’Malley. Auf
       republikanischer Seite konzentrieren sich mehrere Kandidaten – darunter
       Donald Trump, Jeb Bush und Scott Walker – bisher vor allem darauf, die
       Einwanderer aus Lateinamerika und Asien als Problem hinzustellen.
       
       10 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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