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       # taz.de -- Übergriffe auf Geflüchtete: Ungarische Kamerafrau verteilt Tritte
       
       > Der Sender hat den Vertrag mit der Mitarbeiterin beendet. Die ungarische
       > Polizei setzt Pfefferspray gegen Fliehende an der Grenze zu Serbien ein.
       
   IMG Bild: Die Kamerafrau stellt einem fliehenden Mann mit einem Kind auf dem Arm ein Bein
       
       Wien taz | Eine Woche, bevor Ungarns neues Grenzregime in Kraft tritt, ist
       die Polizei damit beschäftigt, Flüchtlinge einzufangen. Entlang der
       serbischen Grenze macht sie Jagd auf Menschen, die den 175 Kilometer langen
       Grenzzaun überwunden haben. Der geordnete Grenzübertritt ist derzeit eine
       Illusion.
       
       Am Dienstag haben sich wieder an die 150 Flüchtlinge zu Fuß in Richtung
       Budapest aufgemacht, um sich der Registrierung zu entziehen. Die Autobahn
       musste zeitweise gesperrt werden. Dann konnte die Polizei, die
       Arabisch-Dolmetscher mitbrachte, die Menschen überreden, in Busse zu
       steigen. Sie wurden in das Sammellager Vámosszabadi nahe der
       westungarischen Stadt Györ gebracht. Von dort ist es nicht mehr weit zur
       österreichischen Grenze.
       
       An der serbisch-ungarischen Grenze setzte die Polizei Knüppel und Tränengas
       ein, um Flüchtlinge zur Registrierungsstelle in Röszke zu bringen. Dort
       beteiligte sich auch eine Kamerafrau des rechtsextremen Kanals N1 an der
       Menschenjagd. Sie wurde gefilmt, wie sie nach einem kleinen Mädchen trat
       und einem rennenden Mann mit Kind auf dem Arm ein Bein stellte. Der Vorfall
       wurde auch in Ungarn als so skandalös gesehen, dass die Frau angeblich
       entlassen wurde.
       
       Sonst herrschen vorwiegend Angst und Ablehnung: Emotionen, die von
       Regierung und Kirche noch gefördert werden.
       
       ## Soldaten an der Grenze
       
       István Simicskó, der nach dem überraschenden Rücktritt von Csaba Hende am
       Montag das Verteidigungsministerium übernahm, hat nach seiner Anhörung vor
       dem parlamentarischen Verteidigungsausschuss die „Erhöhung des öffentlichen
       Sicherheitsgefühls“ als Priorität seiner Arbeit bezeichnet. Ungarn müsse
       seine Sicherheitspolitik „erneuern“. Die Polizei bedürfe der Unterstützung
       der Armee, um die „illegale Einwanderung zu verhindern.“
       
       Er will 3000 bis 4000 Soldaten für den Grenzschutz abstellen, wo bereits
       etwa 4000 Polizisten im Einsatz sind. Ob sie notfalls auch schießen sollen,
       beantwortete er nicht eindeutig: „Niemand will das.“ Hende sei
       zurückgetreten weil Premier Viktor Orbán „nicht gänzlich mit dem Tempo der
       Fertigstellung des Zaunes zufrieden“ gewesen sei, so Lajos Kósa,
       Vizepräsident der Regierungspartei Fidesz.
       
       Schützenhilfe erhält die Regierung zumindest von einigen Kirchenfürsten. So
       zitiert die Washington Post László Kiss-Rigó, den katholischen Bischof von
       Szeged-Csanád mit der Warnung, die Leute, die sich als Flüchtlinge ausgeben
       würden, stellten eine ernste Bedrohung für die „christlichen universellen
       Werte“ Europas dar. Dem päpstlichen Appell zu mehr Solidarität und zur
       Aufnahme von Flüchtlingen kann er sich nicht anschließen. „Das sind keine
       Flüchtlinge, das ist eine Invasion.“
       
       ## Kritik vom UNHCR
       
       Nicht einverstanden sind die Organisationen der Zivilgesellschaft. In einer
       gemeinsamen Erklärung forderten 22 NGOs die Regierung auf, im Umgang mit
       der Flüchtlingskrise die Menschenrechte zu respektieren. Statt die
       Flüchtlinge zu kriminalisieren, soll sie diese nach grundlegenden Standards
       der Menschlichkeit aufnehmen, forderten Greenpeace Ungarn, das Ungarische
       Helsinki-Komitee und andere Menschenrechtsgruppen.
       
       Ähnlich äußerte sich zuletzt auch der Direktor des
       UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR. Er appellierte an die ungarische
       Regierung, die Registrierungsprozedur „einfacher zu gestalten“ und
       „genügend Leistungen zur Verfügungen zu stellen“. Vincent Cochetel
       kritisierte auch die Aussperrung von Hilfsorganisationen in Grenznähe sowie
       die Missachtung europäischer und humanitärer Grundstandards.
       
       9 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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