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       # taz.de -- Wachstum in den Niederlanden: Prassen statt sparen
       
       > Lange waren die Niederlande treuer Alliierter des harten deutschen
       > Sparkurses. Nun ändert das Land die Politik und gibt wieder Geld aus.
       
   IMG Bild: So genau wollen die Niederländer nun nicht mehr aufs Geld schauen..
       
       Amsterdam taz | Neue Töne aus Den Haag: Als Finanzminister Jeroen
       Dijsselbloem am Dienstagnachmittag den Haushaltsplan für das kommende Jahr
       vorstellte, enthielt dieser erstmals seit Jahren wieder positive
       Nachrichten. Seit 2008 war die Wirtschaftsleistung der Niederlande real
       nicht gewachsen, immer wieder war das Land in die Rezession gerutscht. Nun
       wird für dieses Jahr mit zwei Prozent Wachstum gerechnet. Am Mittwoch
       konnte das Parlament deshalb einen Etatentwurf diskutieren, der ein Ende
       des jahrelangen Sparkurses im Nachbarland einläutet. Devise: Prassen statt
       Sparen.
       
       Die Regierung plant Steuersenkungen in Höhe von fünf Milliarden Euro für
       Jahreseinkommen von über 50.000 Euro, dazu Mehrausgaben von gut 700
       Millionen Euro im Sozialen und im Pflegebereich. Auch ein Plus von fünf
       Prozent mehr für Beamte ist vorgesehen. Das Verteidigungsministerium erhält
       220 Millionen Euro zusätzlich.
       
       Dijsselbloems Wende ist auch bemerkenswert, weil er als Eurogruppen-Chef
       eine zentrale Rolle in der Austeritätspolitik der EU spielt. Seit Beginn
       der Eurokrise galten die Niederlande als einer der orthodoxesten
       Befürworter von strikter Haushaltsdisziplin – und treuester Alliierter der
       harten Berliner Sparpolitik.
       
       „Wir geben wieder Geld aus”, kommentierte das Boulevardblatt De Telegraaf–
       auch wenn die traditionelle Eröffnung des politischen Jahres in Den Haag
       ganz calvinistisch unter dem Motto „Wir müssen nüchtern bleiben” stand.
       Fakt ist: Erstmals seit Jahren hat die sozial-liberale Koalition in Den
       Haag wieder etwas zu verteilen. Für 2016 erwartet man mit 2,4 Prozent
       Wachstum gar den höchsten Wert seit 2007. Das Haushaltsdefizit soll
       trotzdem von 2,2 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken.
       
       ## Kita-Besuch erschwinglicher machen
       
       Die beiden Kabinette von Premier Mark Rutte hatten seit 2010 Sparmaßnahmen
       in Höhe von insgesamt 34 Milliarden Euro verabschiedet. Im neuen Etat
       findet sich auch ein Posten von 290 Millionen Euro, der als erhöhte
       Betreuungszulage den Kita-Besuch erschwinglicher machen soll. Dieser
       Bereich war von Kürzungen besonders stark betroffen gewesen: Erzieher
       wurden entlassen, Kitas standen vor der Schließung, zahlreiche Kinder
       blieben zu Hause, weil Kita-Plätze unbezahlbar waren.
       
       Finanzminister Dijsselbloem erklärte nun, die Niederlande hätten sich aus
       der Krise befreit, die Wirtschaft wachse stärker als erwartet. „Jetzt
       wollen wir, dass die Niederländer das auch merken.”
       
       ## Kaufkraft stimulieren
       
       Der bisherige Sparkurs sei zwar richtig gewesen, um „die Staatsfinanzen in
       Ordnung zu bringen”, sagte Dijsselbloem. Nun müsse aber die Kaufkraft
       stimuliert und das Konsumentenvertrauen gesteigert werden. Beide waren in
       Folge der Krise drastisch gesunken.
       
       Bei zahlreichen Beamten stoßen die Pläne dennoch auf Unwillen: Rund 6.500
       Polizisten aus dem ganzen Land blockierten am Mittwoch den Zugang zu drei
       Ministerien, während im nahen Parlament das Kabinett seinen Etatplan
       verteidigte. Sie fürchten, die Regierung werde die zugesagte Lohnerhöhung
       durch Renteneinschnitte gegenfinanzieren. Laut Gewerkschaftsbund FNV ginge
       es dadurch nur um eine reale Erhöhung von 1,7 Prozent.
       
       Bester Laune zeigten sich dagegen König Willem-Alexander und Königin
       Maxima: Lachend winkten sie den wartenden Untertanen zu, als sie in einer
       goldenen Kutsche zu ihrem Besuch im Parlament aufbrachen – auch dies ein
       Teil des Rituals, mit dem das politische Jahr beginnt. Im Zuge höherer
       Beamtengehälter verdient das Königspaar 2016 insgesamt 60.000 Euro extra.
       Die einstige Königin Beatrix kann sich über ein Plus von 24.000 Euro
       freuen.
       
       17 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
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