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       # taz.de -- Vor der Parlamentswahl in Griechenland: Ein Rennen mit vielen Rätseln
       
       > Droht am Ende eher eine Große Koalition als ein linker Durchmarsch? Bei
       > der Parlamentswahl am Sonntag sind Überraschungen nicht ausgeschlossen.
       
   IMG Bild: Wird laut Umfragen drittstärkste Partei im Parlament: die rechtsextreme Goldene Morgenröte.
       
       Athen taz | Spannender war eine griechische Wahl selten: Nach einer Umfrage
       des Athener TV-Senders Antenna liegen die bis Mitte August regierende
       Linkspartei Syriza und die konservative Opposition genau gleichauf bei 24,6
       Prozent. Den dritten Platz belegt die rechtsradikale Goldene Morgenröte mit
       7 Prozent. Eine am vergangenen Sonntag in der Linkszeitung Avgi
       veröffentlichte Umfrage sieht die beiden Hauptkontrahenten ebenfalls
       gleichauf bei 31 Prozent, während die sozialistische Partei Pasok mit 8
       Prozent überraschend auf den dritten Platz landet.
       
       Noch vor zwei Monaten hätte sich Ex-Premier Alexis Tsipras dieses
       Kopf-an-Kopf-Rennen gar nicht vorstellen können. Scheinbar uneinholbar
       führte er damals alle Umfragen mit über 10 Punkten Vorsprung auf seinen
       konservativen Widersacher Evangelos Meimarakis, der ohnehin nur
       übergangsweise als Parteichef eingesprungen war.
       
       Seitdem ist allerdings viel passiert im kriselnden Griechenland: Mitte
       August verabschiedete das Parlament ein schmerzhaftes Sparpaket mit breiter
       Mehrheit, nicht zuletzt mit den Stimmen vieler Syriza-Abgeordneter, die
       noch im Wahlkampf ebenjene Sparauflagen verteufelten. Daraufhin gründeten
       die Abweichler ihre eigene Linksfraktion. Einstige Syriza-Schwergewichte
       wie Parlamentspräsidentin Konstantopoulou und Ex-Finanzminister Varoufakis
       verweigerten Tsipras die Gefolgschaft. Der Stern von Tsipras schien zu
       verglühen.
       
       Oder vielleicht doch nicht? In der letzten Wahlkampfwoche gibt der
       Linkspolitiker noch einmal alles und kämpft in erster Linie nicht gegen die
       Sparauflagen, sondern gegen seinen 62-jährigen Widersacher Meimarakis, der
       aus einer konservativen Politikerfamilie stammt. Ihm wirft Tsipras
       Hörigkeit gegenüber den Geldgebern, Jonglieren mit falschen Zahlen und
       Toleranz gegenüber Korruption vor. Meimarakis wiederum kommt mit seiner
       einfachen, gelegentlich derben Sprache, bei konservativen Wählern gut an,
       vor allem auf dem Land.
       
       ## Große Koalition als Option
       
       [1][Im TV-Duell der Spitzenkandidaten] erklärte Tsipras am Dienstagabend,
       er hätte persönlich absolut nichts gegen den Herausforderer, aber
       Meimarakis stehe nun mal für ein altgedientes Politiksystem, das vierzig
       Jahre lang regiert und das Land in diesen Abgrund geführt habe. „Progressiv
       gegen Konservativ, Neu gegen Alt“ lautet das Wahlkampfkalkül des gewieften
       Taktikers Tsipras.
       
       Schläge unter die Gürtellinie werden im Wahlkampf nicht verteilt,
       jedenfalls nicht von Tsipras persönlich. Das hat einen Grund, vermuten
       Kommentatoren: Die Option einer Großen Koalition zwischen Syriza und den
       Konservativen liege auf dem Tisch, schließlich hätten Tsipras und
       Meimarakis vor sechs Wochen den Sparauflagen gemeinsam zugestimmt.
       
       Sehr wahrscheinlich ist diese Option nicht, da sieben weitere Parteien auf
       einen Einzug ins Parlament hoffen und sich den Hauptkontrahenten als
       Koalitionspartner andienen könnten. Als begehrter Partner gilt vor allem
       die erst 2014 gegründete, sozial-liberale und betont europafreundliche
       Gruppierung To Potami, angeführt von dem TV-Journalisten Stavros
       Theodorakis.
       
       ## Problem Goldene Morgenröte
       
       Kopfzerbrechen bereitet nach wie vor die Goldene Morgenröte. Trotz
       laufender Strafverfahren gegen ihre Führungsriege liegen die Rechtsextremen
       bei fast allen Umfragen sicher auf dem dritten Platz. Für Aufregung sorgen
       sie nicht zuletzt mit ihrem jüngsten Wahlwerbespot. In diesem werden drei
       Grundschüler gezeigt, die für die Partei werben: „Ich will meine Geschichte
       richtig lernen“, fordert ein Mädchen. „Ich möchte keine Minderheit im
       eigenen Land werden“, klagt ein Junge im Poloshirt. Sollten sich Linke und
       Konservative auf eine Große Koalition einlassen, wollen die Rechtsextremen
       den Oppositionschef stellen.
       
       Schlechte Karten haben dagegen die bis vor Kurzem gemeinsam mit Tsipras
       regierenden Rechtspopulisten (Anel). Laut Umfragen scheitert der
       vermeintliche Juniorpartner von Tsipras an der Dreiprozenthürde. Anel-Chef
       Panos Kammenos will dies allerdings gar nicht wahrhaben und deutet eine
       Verschwörung der Demoskopen gegen ihn an. Falls seine Partei den Einzug ins
       Parlament nicht mehr schafft, werde er von allen politischen Ämtern
       zurücktreten, ließ er verlauten.
       
       16 Sep 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Vor-der-Wahl-in-Griechenland/!5232195/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Papadimitriou
       
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