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       # taz.de -- Terrorfehlalarm in Texas: Der lässige Nerd
       
       > Ahmed Mohamed bastelt eine Uhr, bringt sie in die Schule mit und wird
       > verhaftet. Jetzt wird er in Amerika zum neuen Helden stilisiert.
       
   IMG Bild: Der Nerd und seine Lieblingsspielzeuge – ganz wie es das Klischee vorschreibt
       
       Donald Trump, Grenzzäune nach Mexiko, Abschiebung von illegalen
       Einwanderern und andere rechtskonservative Parolen kann man vergessen.
       Jetzt kommt Ahmed Mohamed. 14 Jahre alt, Schüler in Texas, Techniknerd,
       Tüftler und Amerikas neuer Held. Und ach, die Amerikaner lieben
       Heldengeschichten, erkennen sie sofort und erzählen sie brillant.
       
       Für Ahmed Mohamed fing alles Anfang der Woche mit einer Uhr an. Er hatte
       sie selbst gebastelt und in die Schule mitgenommen, um sie dort seinem
       Techniklehrer zu zeigen. Es ist eine Tüftleruhr im besten Sinne: in einem
       Koffer mit vielen Drähten und einer digitalen Anzeige. Der Lehrer riet dem
       Jungen, die Uhr besser niemandem zu zeigen, also tickte sie in Ahmeds
       Rucksack vor sich hin. In einer Englischstunde piepte die Uhr, sodass der
       14-Jährige seine Konstruktion auch seiner Lehrerin zeigte, die ihm die Uhr
       wegnahm.
       
       Nun lieben Amerikaner nicht nur Heldengeschichten, sie neigen auch zu
       unnötiger Paranoia, wenn es um Sicherheit und Terrorismus geht. Und, oh
       Schreck!, Ahmeds Eltern stammen aus dem Sudan, sind in die USA eingewandert
       und leben und mit ihren Kindern seit Jahren in Irving, einem Vorort von
       Dallas. Eine vermeintlich tickende Uhr, ein Junge mit dem Nachnamen Mohamed
       – der Direktor der Schule erschien nach dem Unterricht mit einem
       Polizisten. Man kann ja nie wissen. „Bombe!“, denkt der angsterfüllte
       Amerikaner.
       
       Die Folgen hat Ahmeds Schwester in einem Bild festgehalten: Ahmed in
       Handschellen, in einem Nasa-T-Shirt und mit verwirrtem Blick. Es entstand,
       nachdem der Junge stundenlang verhört worden war und seine Eltern nicht
       anrufen konnte. Wegen einer Uhr.
       
       Eine dankbare Heldengeschichte, in der Gut – ein 14-jähriger Junge – und
       Böse – die Polizei und alle Islamophoben im Land – unglaublich gut für die
       Fernsehkameras inszeniert werden können, und der [1][Hashtag
       #IStandWithAhmed es sofort in Twitters Trending Topics schafft].
       
       ## Es regnet Einladungen
       
       Natürlich erzählt diese Heldengeschichte auch etwas über eine amerikanische
       Gesellschaft, die in vielen Momenten immer noch in Angst erstarrt ist, auch
       14 Jahre nach den Terroranschlägen des 11. Septembers. In Texas können sich
       die Bürger nach Belieben mit Waffen ausstatten, Schulen bewaffnen ihre
       Lehrer „zum Schutz der Kinder“, man kann fast nur noch mit der Schulter
       zucken ob der Panik, die die Erfindung eines 14-jährigen Jungen entfacht,
       auch weil er eine dunklere Hautfarbe hat und Mohamed mit Nachnamen heißt.
       
       Held Ahmed erzählt aber vor allen Dingen auch etwas über alle jene, die
       sich seiner Geschichte bemächtigen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg war
       spät dran, als er am Mittwochabend postete: „Ahmed, wenn du mal bei
       Facebook vorbeischauen willst, ich würde dich gerne treffen. Bastele
       weiter!“ Zuckerberg wird sich hintanstellen müssen, denn wenigstens eine
       Einladung hat der 14-Jährige schon angenommen: vom US-Präsidenten. Barack
       Obama twitterte: „Coole Uhr. Willst du sie ins Weiße Haus bringen?“
       Erfindertum sei es schließlich, was Amerika groß mache.
       
       Hillary Clinton kann in ihrem Vorwahlkampf einen positiven Push gerade auch
       ganz gut gebrauchen, wenig überraschend will auch sie vom Glanz der
       Heldengeschichte profitieren. “Ahmed, bleib neugierig und baue weiter“,
       twittert sie. Endlich mal wieder gute Nachrichten, es würde nicht
       überraschen, wenn Irving, Texas, in die Wahlkampftour mit aufgenommen
       würde.
       
       Und klar, die Nasa, deren Logo auf Ahmeds T-Shirt prangte, als er zum
       Helden wurde, lässt sich die super PR ebenfalls nicht entgehen, die
       Einladung nach Houston steht. Heldentaten lassen sich nicht planen – diese
       Geschichten für die eigenen Ziele zu nutzen, umso mehr. Ein Tweet zur
       rechten Zeit und schon schwimmt man mit in der Euphorie und steigert seine
       Symapthiewerte. Da geht es dann ganz schnell nicht mehr um den Helden,
       sondern um die eigene Inszenierung, den eigenen Vorteil. Und Ahmed der
       Held? Bleibt erst mal heldenhaft ganz lässig.
       
       17 Sep 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://Hashtag%20#IStandWithAhmed:%20https://twitter.com/search?q=%23IStandWithAhmed&src=tyah
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rieke Havertz
       
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