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       # taz.de -- Türkeis Regierungschef bleibt Parteispitze: Davutoglu wittert überall AKP-Feinde
       
       > Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bleibt an der Spitze seiner Partei.
       > Nach neun Tagen ist die Ausgangssperre in der Stadt Cizre wieder
       > aufgehoben worden.
       
   IMG Bild: Da geht ihm ein Licht auf: Ahmet Davutoglu will keine Koalition eingehen,
       
       Istanbul/Ankara dpa/afp | | Auf ihrem Parteitag in Ankara hat die türkische
       AKP am Samstag den regierenden Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als
       Vorsitzenden bestätigt. Er wird bei der Parlamentswahl am 1. November
       erneut als Spitzenkandidat der islamisch-konservativen Partei antreten.
       Unterdessen hat die Regierung nach fast neun Tagen die Ausgangssperre in
       der Stadt Cizre nahe der Grenze zu Syrien aufgehoben.
       
       Davutoglu hatte den Parteivorsitz im vergangenen Jahr von AKP-Gründer Recep
       Tayyip Erdogan übernommen, nachdem dieser zum Präsidenten gewählt worden
       war. Erdogan war 11 Jahre lang türkischer Ministerpräsident. Bei der Wahl
       im Juni hatte die AKP zum ersten Mal seit ihrem Aufstieg 2002 eine
       Parlamentsmehrheit verfehlt. Koalitionsverhandlungen scheiterten, nachdem
       keine der vier Parteien eine Mehrheit erlangte.
       
       Viele Beobachter vermuten, dass Erdogan die Koalitionssuche bewusst
       hintertrieb. Der Präsident ist demnach überzeugt, dass die AKP die im Juni
       verlorene Parlamentsmehrheit im November zurückerobern kann. AKP-Mitglieder
       beharren darauf, dass der Urnengang trotz des eskalierenden Konflikts
       zwischen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Regierung
       stattfinden werden.
       
       Auf dem Parteitag sprach sich Ahmet Davutoglu mit Blick auf die Wahl
       vehement für eine Einparteien-Regierung aus. Diese sei für den „Kampf gegen
       den Terrorismus“ notwendig.
       
       Er warf der PKK sowie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und
       linksradikalen Gruppen vor, die AKP als islamisch orientierte Partei
       unterminieren zu wollen. „Ausländische Mächte“ kollaborierten laut
       Davutoglu mit diesen Gruppen, um Chaos in der Türkei zu schaffen, wie die
       staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
       
       Eine „stabile Regierung“ seiner Partei könne für eine „dauerhafte
       Entwicklung“ sorgen und die „Rechte und Freiheiten aller Bürger“
       verteidigen, versprach der Ministerpräsident.
       
       Grabenkämpfe in der AKP 
       
       In türkischen Medien war unterdessen die Rede von Grabenkämpfen hinter den
       Kulissen zwischen Davutoglus Anhängern und denen von Staatschef Recep
       Tayyip Erdogan. Berichten zufolge haben es viele Gefolgsleute Erdogans in
       den am Samstag ebenfalls neugewählten AKP-Vorstand geschafft,
       einschließlich sein Schwiegersohn Berat Albayrak.
       
       Das Fernziel des Staatschefs bleibt eine Verfassungsänderung zur Einführung
       eines Präsidialsystems. Von einer verfassungsändernden Mehrheit im
       Parlament ist die AKP laut Umfragen allerdings weit entfernt. Einigen
       Umfragen zufolge steht die Partei vor weiteren Stimmenverlusten.
       
       Die Schwächung der AKP könnte mit einem weiteren Stimmgewinn der
       linksliberalen, prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP)
       einhergehen. Im Juni hatte die HDP die Zehnprozent-Hürde übersprungen und
       ist seitdem mit 80 Abgeordneten im Parlament vertreten.
       
       Erdogan und seine AKP beschimpfen die HDP seit Wochen als verlängerten Arm
       der als „Terrororganisation“ gebrandmarkten Arbeiterpartei Kurdistans
       (PKK), die seit Juli wieder türkische Sicherheitskräfte angreift. Die Armee
       reagierte mit Bombardierungen von PKK-Stellungen im Nordirak und schickte
       Spezialkräfte zur Jagd auf PKK-Kämpfer über die Grenze. Zugleich gab es
       gewalttätige Angriffe türkischer Ultranationalisten, darunter sogenannte
       Graue Wölfe, gegen die HDP. Deren Zentrale in Ankara und das Büro der
       Partei in Alanya an der türkischen Riviera gingen in Flammen auf.
       
       ## Cizres Co-Bürgermeisterin Leyla Imret entlassen
       
       Die türkische Regierung hat am Samstag die Ausgangssperre in Cizre im
       Südosten des Landes aufgehoben. Fast neun Tage lang war die Stadt mit 120
       000 Einwohnern von der Außenwelt abgeriegelt gewesen. Dabei waren laut
       Amnesty International Mobilfunksignale und Straßen blockiert und die Strom-
       und Wasserversorgung unterbrochen gewesen. Berichten zufolge war es auch zu
       Störungen im Gesundheitswesen gekommen.
       
       Vor der vollständigen Aufhebung der Ausgangsperre wurde die
       Co-Bürgermeisterin von Cizre, Leyla Imret, entlassen. Laut IMC hatte ihr
       ein örtlicher Staatsanwalt vorgeworfen, Propaganda für eine Terrorgruppe zu
       machen. Imret ist ein Mitglieder der pro-kurdischen Partei HDP, die bei den
       letzten Parlamentswahlen in der Stadt 90 Prozent der Stimmen gewonnen
       hatte.
       
       Die ostanatolische Kommunalpolitikerin Imret (28) ist die Tochter eines
       PKK-Kämpfers, der bei einem Zusammenstoß mit türkischen Sicherheitskräften
       1992 vor ihren Augen getötet wurde. Nach dem Tod ihres Vaters wuchs sie in
       Deutschland auf. Heute gilt sie als Ikone der kurdischen Nationalbewegung.
       
       Die HDP hatte in der vergangenen Woche einen Friedensmarsch zu der Stadt
       organisiert, der vom Militär gestoppt wurde. Laut der Partei sind im
       Verlauf der Woche mehr als 20 Zivilisten getötet worden.
       
       Cizre war nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen türkischen
       Sicherheitskräften und Mitgliedern der verbotenen kurdischen
       Untergrundorganisation PKK abgeriegelt worden. Der Menschenrechtskommissar
       des Europarates Nils Muiznieks hatte die Sperre als „zutiefst beunruhigend“
       bezeichnet. Das türkische Verfassungsgericht hatte am Freitag entschieden,
       dass die Sperre weiterbestehen dürfe.
       
       12 Sep 2015
       
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