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       # taz.de -- Flüchtlinge in Turnhallen: Ein Dach überm Kopf
       
       > In Berlin sind viele Flüchtlinge behelfsmäßig in Sporthallen
       > untergebracht. Der Landessportbund fürchtet um Trainingsmöglichkeiten.
       
   IMG Bild: Flüchtlinge vor der Rudolf-Harbig-Sporthalle
       
       Langsam wird es eng für den Landessportbund Berlin (LSB). Immer mehr
       Flüchtlinge blockieren die Sporthallen der Berliner Leistungssportler.
       Etliche Sportstätten müssen als Notunterkünfte herhalten – vor allem in der
       Bundeshauptstadt Berlin sorgt dies nun für einen Stimmungsumschwung.
       Zunächst wurde viel Positives über das Zusammenspiel von Neuankömmlingen
       und dem Sport berichtet. Doch was passiert, wenn die vielen Einwanderer den
       Sportvereinen zum Verhängnis werden?
       
       LSB-Präsident Klaus Böger äußerte zwar sein Verständnis aufgrund der
       aktuellen Situation – dennoch, die Angst vor dem langfristigen Verlust der
       Sportstätten ist groß: „Die Beschlagnahme von Sporthallen kann immer nur
       allerletzte Option und vorübergehende Lösung sein“, sagte Böger. Eine
       solche Zwangslage sehe der LSB-Präsident derzeit in Berlin nicht.
       
       Aktuell gibt es in der Hauptstadt drei große Flüchtlingslager, die auf
       Sportgeländen aufgeschlagen wurden. Als größte Unterkunft gilt das
       Hans-Korber-Zentrum nahe dem Olympiastadion. Hier wurden in der
       Großsporthalle und der Rudolf-Harbig-Halle über 1.000 Flüchtlinge
       einquartiert. Nun spitzt sich die Lage zu: Am Dienstagmorgen kamen mehrere
       Flüchtlings-Busse an. An einen Umzug in eine andere Immobilie ist nicht zu
       denken. Es kommen täglich weitere Flüchtlinge dazu.
       
       Hinter einem hohen Zaun vor der Halle kicken einige der Angekommenen einen
       Fußball hin und her. Gemeinsames Sporttreiben mit Deutschen ist zurzeit
       noch undenkbar. Auf das Gelände kommt man nur mit einem speziellem
       Codewort. Die Flüchtlinge leben von der Gesellschaft abgeschottet –
       Integration beginnt vielleicht später mal.
       
       ## „Nacht-und-Nebel-Aktion“
       
       Gerade die Blockierung der Rudolf-Harbig-Halle ärgert den LSB. Denn in der
       speziellen Leichtathletikhalle gibt es auf der 200-Meter-Bahn hydraulisch
       hochfahrbare Kurven. Diese werden von den Top-Athleten benötigt, um bei
       hoher Geschwindigkeit nicht von der Bahn abzukommen. Nun essen und schlafen
       hier Flüchtlinge.
       
       „Uns hat insbesondere die Art und Weise aufgeschreckt, wie das vollzogen
       wurde“, erklärte LSB-Direktor Heiner Brandi im Gespräch mit der taz. „Das
       war ja im Grunde eine Nacht-und-Nebel-Aktion. Wir wussten im Vorfeld gar
       nichts. Am nächsten Morgen standen alle Sportler vor verschlossenen Türen.“
       
       Betroffen sind im Leistungssportbereich die Leichtathleten des Teams Süd,
       die Bundesligahandballerinnen der Spreefüxxe und die BR Volleys – sie alle
       müssen nun ausweichen. „Aktuell rücken die Sportler im Sportforum in
       Hohenschönhausen zusammen“, so Brandi, „das verdichtet sich dort alles in
       der Nutzung. Die darf man uns nicht auch noch wegnehmen.“ Bis zum 9.
       Februar 2016 soll die Rudolf-Harbig-Halle am Olympiastadion noch blockiert
       sein.
       
       Dazu kommt: Auch das Sportforum Hohenschönhausen wurde vom Landesamt für
       Gesundheit und Soziales (Lageso) begutachtet und ist als weitere mögliche
       Unterkunft im Gespräch. Sollte das Sportforum zum Flüchtlingslager
       umgewidmet werden müssen, sieht der LSB eine Katastrophe kommen. „Erklären
       Sie dann mal einem jungen Sportler, der vielleicht nächstes Jahr nach Rio
       fahren möchte, dass er nun auf unbestimmten Zeitraum nicht trainieren
       kann“, so Brandi.
       
       ## Wintersport ohne Halle
       
       Aktuell sieht der LSB-Direktor das Leichtathletikzentrum aber außer Gefahr:
       „Inzwischen hat sich, glaube ich, in der Politik die Erkenntnis
       durchgesetzt, dass man im Vorfeld auch Alternativen prüfen muss.“ Und die
       gibt es: Der LSB schlägt die leerstehenden Messehallen, das ICC
       (Internationales Congress Centrum), die Poelchau-Oberschule und die
       leerstehenden Kasernen vor. „Man muss jetzt nicht zwangsweise in einen
       intakten Sportbetrieb eingreifen“, ergänzt er.
       
       Gegen einen Umzug in die besagten Immobilien werden immer wieder Ausreden
       gefunden: „Das ICC sei zu unübersichtlich, und bei den Hangars gäbe es
       keine Sanitäranlagen. Wir hoffen natürlich, dass andere Möglichkeiten
       gefunden werden als unser Leistungszentrum. Es fungiert ja auch als
       Erstaufnahmeeinrichtung, das kann keine Dauerlösung sein – das ist keine
       menschenwürdige Unterbringung.“
       
       Wieso ausgerechnet die Spezialhallen für Leichtathleten als
       Flüchtlingslager herhalten müssen, dafür gibt es eine einfache Erklärung.
       Es gibt nicht so viele Sporthallen, die nicht an Schulen liegen, so das
       Lageso. Heißt: Der Leistungssport wurde dem Schulsport untergeordnet. Der
       Sportunterricht findet aktuell noch fast überall statt. Die anderen beiden
       Notunterkünfte sind die Jahn-Sporthalle am Columbiadamm und die
       Traglufthallen auf dem Gelände des Poststadions in Moabit. Doch hier sind
       die Probleme nicht so gravierend wie am Olympiastadion: Die Traglufthallen
       nehmen zwar viel Platz ein, doch auf dem Sportgelände ist trotzdem noch
       genug Platz für andere sportliche Aktivitäten.
       
       Der Hauptbrennpunkt sind nach wie vor die Sportstätten am Olympiapark. Dass
       die Sportler so schnell nicht in die Rudolf-Harbig-Halle zurückkehren
       können, das scheint klar zu sein, wie am Mittwochabend deutlich wurde, als
       der LSB zu einer Sondersitzung zusammenkam. Das primäre Ziel lautet, nicht
       auch noch die zweite Spezialhalle an die Flüchtlinge zu verlieren. „Das
       wäre dann schon ein schwerwiegender Eingriff in den Sportbetrieb“, so
       Brandi, „es geht ja nicht nur um Leistungssport und Robert Harting. Da
       hängen ja auch noch die 1.200 Schüler der Eliteschule des Sports dran, die
       das Forum in hoher Frequenz nutzen – die Eltern sind bereits beunruhigt.“
       
       Der LSB hat Verständnis für die Situation der Flüchtlinge. Dennoch stehen
       für Direktor Heiner Brandi und die Berliner Sportler nun entscheidende Tage
       an. Denn komplett ohne Trainingshalle möchte über den Winter kein Sportler
       dastehen.
       
       18 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tillmann Bauer
       
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