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       # taz.de -- Bund der Steuerzahler über Stimmzettel: „Wahlbeteiligung sank trotzdem“
       
       > Vorstandsmitglied Carl Kau moniert Bremens Stimmzettel in „leichter
       > Sprache“.
       
   IMG Bild: Für viele keine leichte Situation: allein mit dem Wahlzettel, Bremen im Mai 2015.
       
       taz: Herr Kau, ist die Verwendung von Leichter Sprache tatsächlich ein
       Bremer „Luxus“, wie der Bund der Steuerzahler moniert? 
       
       Carl Kau: Auf jeden Fall. Als Nehmerland kann man sich nichts leisten, was
       sich Geberländer auch nicht gönnen wollen oder können – wie bei den
       Wahl-Unterlagen. Hinzu kommt die Frage nach der Effektivität: Wenn damit
       bei der vergangenen Bürgerschaftswahl ein Erfolg erzielt worden wäre,
       könnte man das vielleicht noch rechtfertigen. Aber die Wahlbeteiligung sank
       trotz der teuren Wahl-Zettel.
       
       Die Zahl der ungültigen Stimmen hat sich im Mai doch aber reduziert! 
       
       Die Menschen gehen nicht deswegen nicht zur Wahl, weil sie den Wahlzettel
       nicht kapieren. Sie sind mit der Wahl-Reaktion unzufrieden – weil trotz
       deutlicher Abwahl einer Koalition mit Verlust von 13 Prozentpunkten sich
       dennoch nichts ändert. Die Menschen wollen durch Fernbleiben einen
       Denkzettel verpassen – nicht weil der Wahlzettel kompliziert geworden ist.
       
       Wie sollen zum Beispiel Analphabeten wählen können? 
       
       Also erst einmal ist deren Anzahl in Deutschland nicht so groß – und in
       Bremen auch nicht exorbitant hoch. Und dafür gibt es Hilfestellungen, die
       man sich im Umfeld holen muss und kann.
       
       Rund 15 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland gelten als funktionale
       Analphabeten – also Menschen, die verschachtelte Sätze schwer verstehen. 
       
       Gut, aber wie gesagt: Dafür gibt es Möglichkeiten. Sowohl die Parteien
       bieten Hilfestellungen an, als auch das private Umfeld. Wenn ich ein
       Handicap habe, muss ich ja auch selber dafür sorgen, dass ich mit
       persönlicher Hilfe bewerkstelligt bekomme, was ich machen will.
       
       Sowohl das Grundgesetz als auch diverse UN-Konventionen verlangen die
       Möglichkeit zu gleichberechtigter Teilhabe. Da ist Bremen doch wohl in der
       Pflicht, das Wählen ohne Hilfe zu ermöglichen?
       
       Das eigentliche Problem ist doch: Hier in Bremen ist der Wahlmechanismus
       unnötig verkompliziert worden. Die leichte Gestaltung muss also dadurch
       stattfinden, dass man einen verständlichen Wahlmodus schafft. Das zweite
       ist: Sie müssen vernünftige Politik machen. Ich prophezeie einen weiteren
       Rückgang der Wahlbeteiligung. Aber nicht wegen der Menschen, die ein
       Handicap haben. Sondern aufgrund der Menschen, die diesen politischen
       Wahlmechanismus nicht mehr mitmachen wollen.
       
       Will der Bund der Steuerzahler nun alle Bundesländer an den Pranger
       stellen, die dem Bremer Beispiel in Bezug auf „leichte“ Wahlunterlagen
       folgen? 
       
       Hier werden verschiedene Punkte völlig übersehen: Die Wahlbenachrichtigung
       kam früher als Postkarte, jetzt wurde sie aufgrund des Umfangs teurer als
       Brief verschickt. Allein das hat 40.000 Euro mehr gekostet. Die in
       Deutschland einmaligen farbigen Parteien-Logos kosteten 175.000 Euro
       zusätzlich. Und dann hat die Wahlkommission den Termin der Wahl so
       unglücklich gewählt, dass man an Christi Himmelfahrt noch einige Stimmen
       auszählen musste – mit Mehrkosten von 26.700 Euro. Das sind doch die
       wichtigen Punkte – nicht nur die leichte Sprache.
       
       1 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Laurin Meyer
       
       ## TAGS
       
   DIR Bildung in Bremen
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Inklusion
       
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