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       # taz.de -- Ungarns Freunde in Brüssel: Abschottung mit Rückendeckung
       
       > Viktor Orbán ist über die EVP fest in Brüssel verankert. Neben seinen
       > CSU-Spezis feiern ihn auch Freunde in Polen, Tschechien und der Slowakei.
       
   IMG Bild: EVP-Fraktionschef Martin Weber (li.) zu Besuch bei Viktor Orbán.
       
       Brüssel taz | Diese Bilder gab’s noch nie in der Flüchtlingskrise. Nachdem
       das ungarische Parlament am Montag grünes Licht für einen Militäreinsatz
       gegeben hatte, fuhren am Dienstag Humvees an der Grenze zu Kroatien auf. Es
       sah aus wie im Krieg und könnte eine neue – diesmal militärische –
       Eskalation einleiten. Doch die EU-Kommission in Brüssel schaute lieber weg.
       
       „Das ist nur ein Detail des Puzzles, wir konzentrieren uns auf eine
       solidarische Gesamtlösung“, sagte der Sprecher von Kommissionspräsident
       Jean-Claude Juncker. Auch zu anderen hässlichen Details der
       Abschottungspolitik des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán schweigt
       Brüssel. „Wir wollen auf niemanden mit dem Finger zeigen“, reden sich die
       EU-Sprecher heraus.
       
       Hat die EU etwa Angst vor Orbán? Oder kann der Hardliner aus Budapest auf
       stillschweigende Zustimmung in Brüssel bauen? Gibt es gar eine „Orbán
       Connection“? Fest steht, dass sich die EU seit Jahren schwertut mit dem
       Rechtspopulisten. Orbán konnte die Presse an die Kette legen und
       Minderheiten missachten, ohne dass er EU-Sanktionen fürchten musste. Das
       Europaparlament hat zwar mit Strafen gedroht, doch passiert ist nichts.
       
       Geradezu kumpelhaft ist der Umgang mit Orbán in der Flüchtlingskrise.
       Juncker empfing ihn kurz nach den Vorfällen am Budapester Keleti-Bahnhof –
       und sagte nichts. Zwar kritisierte der Luxemburger ein paar Tage später die
       neuen Mauern, die durch Europa gehen. Doch Orbán direkt anzugehen, kam ihm
       nicht in den Sinn. Derweil wird er in Südosteuropa wie ein Held gefeiert.
       
       ## CSU als Wortführer
       
       Tschechien, die Slowakei und Polen ziehen mit Orbán in der
       Migrationspolitik an einem Strang. In der sogenannten Višegrad-Gruppe
       organisieren die vier Länder den Widerstand gegen Junckers
       Flüchtlingsquoten. Auch vor dem Krisengipfel der Innenminister am
       Dienstagabend in Brüssel verfochten sie eine harte Linie. Gemeinsam für das
       christliche Abendland, so die Devise.
       
       Im Brüsseler Ministerrat, der die 28 EU-Länder vertritt, muss sich Orbán
       also nicht verstecken. Aber auch im Europaparlament hat er mächtige
       Fürsprecher. Der wichtigste ist Manfred Weber. Der CSU-Mann spricht nicht
       nur für die Weiß-Blauen aus Bayern, sondern auch für die größte
       Parlamentsfraktion, die konservative EVP, die er seit einem Jahr führt.
       Webers Wort hat Gewicht.
       
       „Dass Grenzen beschützt und bewacht werden, gehört zu den Positionen der
       EVP“, sagte Weber nach einem Besuch im für seine unhaltbaren Zustände
       bekannten Flüchtlingslager Bicske. „Mein Eindruck ist, dass die
       Einrichtungen in Ungarn die europäischen Mindeststandards einhalten“, fügte
       er hinzu. Orbán fühle sich missverstanden, verteidigte der EU-Politiker
       seinen Parteifreund.
       
       ## Wie reagiert Merkel?
       
       Weber liegt damit ganz auf der Linie von CSU-Chef Horst Seehofer, der Orbán
       zur CSU-Klausurtagung ins Kloster Banz eingeladen hat. Am Mittwoch soll der
       Ungar dort reden – zum Thema Flüchtlingspolitik. Wenige Stunden später wird
       er dann beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel
       erwartet. Welches Signal wird nun von Banz nach Brüssel ausgehen – wie wird
       Angela Merkel darauf reagieren?
       
       Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (ebenfalls CSU) gab der
       Kanzlerin schon mal einen Tipp: „Mein Rat an die Kanzlerin ist, zu
       erklären, dass Deutschland derzeit nicht in der Lage ist, weiter größere
       Zahlen an Flüchtlingen aufzunehmen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.
       Orbán darf sich bestätigt fühlen. Die Bayern-Connection hält.
       
       23 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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