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       # taz.de -- EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise: Mehr Geld, mehr Grenzen
       
       > Es geht doch noch: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich nach
       > monatelangem Streit auf umfassende Schritte in der Flüchtlingskrise
       > geeinigt.
       
   IMG Bild: Endlich mal entschlossen, auch im Gang; Der slowakische Premier Robert Fico auf dem Weg zur Pressekonferenz
       
       Brüssel dpa | Die EU-Staaten haben bei einem Krisengipfel ihren
       wochenlangen Streit über den Kurs in der Flüchtlingspolitik vorerst
       beigelegt. Die Spannungen seien zwar nicht verschwunden, hätten aber bei
       dem Spitzentreffen nicht wirklich eine Rolle gespielt, resümierte der
       französische Staatspräsident François Hollande am frühen Donnerstagmorgen
       nach rund siebenstündigen Beratungen in Brüssel.
       
       Die EU-Staaten hatten sich erst unmittelbar vor dem Gipfel nach langen
       Auseinandersetzungen auf die Verteilung von weiteren 120.000 Flüchtlingen
       geeinigt. Dabei wurden Rumänien, Tschechien, die Slowakei und Ungarn
       überstimmt.
       
       Im größten Flüchtlingsdrama seit dem Zweiten Weltkrieg nehmen die Europäer
       nun Milliarden in die Hand, um der Lage zu begegnen. Mit dem Geld wollen
       sie ihre gemeinsamen Außengrenzen besser sichern und schutzbedürftigen
       Menschen in Krisengebieten helfen.
       
       „Wir müssen unsere Politik offener Türen und Fenster korrigieren“, sagte
       Gipfelchef Donald Tusk. „Das Chaos an unseren Außengrenzen muss ein Ende
       nehmen.“
       
       Die EU gibt eine Milliarde Euro zusätzlich zur Versorgung syrischer
       Flüchtlinge in Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes. Das Geld soll etwa an
       das UN-Welternährungsprogramm WFP und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR
       fließen. Dem WFP fehlt Geld; die Organisation musste ihre Unterstützung für
       Flüchtlinge kürzen, was teilweise zu Engpässen in Lagern führte.
       
       ## Hotspots für Flüchtlinge
       
       Der EU-Sondergipfel beschloss auch, bis Ende November in Italien und
       Griechenland Registrierungszentren („Hotspots“) für Flüchtlinge
       einzurichten. Nach Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auch
       Bulgarien seine Bereitschaft erklärt, einen solchen „Hotspot“ einzurichten.
       
       Grenzzäune seien kein Mittel, das Problem zu lösen. Allerdings gebe es auch
       keine Wahlfreiheit für Flüchtlinge. „Es gibt keinen Anspruch auf ein
       bestimmtes Land“, sagte Merkel.
       
       „Zum ersten Mal ist die Migrationsfrage nicht das Problem eines einzelnen
       Mitgliedstaates“, bilanzierte der italienische Regierungschef Matteo Renzi.
       „Es ist eine Frage für alle Europäer und insbesondere alle
       EU-Institutionen.“
       
       Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll die Flüchtlingshilfe für die
       Türkei für das laufende und das kommende Jahr auf insgesamt eine Milliarde
       Euro aufgestockt werden. „Das muss die Türkei aber auch wollen“, sagte ein
       Diplomat. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird am 5. Oktober
       in Brüssel zu Gesprächen erwartet.
       
       Von der Finanzhilfe soll auch Afrika mit 1,8 Milliarden Euro profitieren.
       Außerdem will die EU ihre Grenzschutzagentur Frontex stärken – auch dafür
       gibt es zusätzliches Geld. Laut EU-Kommission sollen die Gelder, die vor
       allem zur Flüchtlingshilfe eingesetzt werden, im Vergleich zum Jahresbeginn
       auf 9,2 Milliarden Euro verdoppelt werden. Zunächst waren 4,5 Milliarden
       Euro vorgesehen.
       
       ## Orban droht Schließung der ungarischen Grenze an
       
       Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban drohte die Schließung der
       Grenze seines Landes zum EU-Mitglied Kroatien an. Der Rechtskonservative
       beklagte, es sei nicht gelungen, eine gemeinsame Sicherung der griechischen
       EU-Außengrenze zu beschließen. So könnten Flüchtlinge internationale Regeln
       brechen und weiter nach Griechenland vordringen. Zu den umstrittenen
       ungarischen Grenzzäunen sagte Orban: „Wenn der Zaun nicht gewollt wird,
       dann können wir die Flüchtlinge auch durchlassen Richtung Österreich und
       Deutschland.“
       
       Tusk räumte Meinungsverschiedenheiten ein, einige Themen seien nach wie vor
       strittig. „Sie können sich vorstellen, dass die Diskussion zwischen dem
       ungarischen Premierminister und dem österreichischen Kanzler sehr
       energiegeladen war.“ Ungarn wird vorgeworfen, Flüchtlinge ohne
       Registrierung einfach nach Österreich weiterreisen zu lassen, obwohl dies
       dem sogenannten Dublin-Prinzip widerspricht.
       
       Merkel sagte über die Position Orbans: „Da gibt es Punkte der
       Übereinstimmung, da gibt es auch durchaus unterschiedliche Einschätzungen.
       Die Übereinstimmung besteht darin, dass wir uns völlig einig sind, dass der
       Schutz der Außengrenzen notwendig ist.“
       
       Die Staats- und Regierungschefs der EU werden schon in drei Wochen bei
       ihrem regulären Gipfel wieder über die Flüchtlingskrise beraten.
       
       24 Sep 2015
       
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