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       # taz.de -- Somalier will Klarheit: Asylbewerber klagt wegen Wartezeit
       
       > Ein somalischer Flüchtling will vor dem Osnabrücker Verwaltungsgericht
       > erreichen, dass nach mehr als einem Jahr über seinen Asylantrag
       > entschieden wird.
       
   IMG Bild: Warten ist Alltag vieler AsylbewerberInnen– gelegentlich begrenzt ein Gericht die Dauer
       
       Weil er schon seit mehr als einem Jahr auf die Entscheidung seines
       Asylantrages wartet, hat ein Schutzsuchender aus Somalia beim
       Verwaltungsgericht Osnabrück Klage eingereicht. Trotz mehrfacher Bitten
       habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) das Verfahren nicht
       ausreichend vorangetrieben, erklärte eine Sprecherin des Gerichts.
       
       Kai Weber vom niedersächsische Flüchtlingsrat zeigte Verständnis für das
       Bundesamt. Es sei wegen der Flüchtlingswelle überfordert. Um für Entlastung
       zu sorgen, empfahl Weber dem Amt, sich auf die eigentlichen Asylverfahren
       zu konzentrieren und sich weitere, bürokratisch aufwändige Prüfungen im
       Rahmen des Dublin-Abkommens oder des Widerrufsverfahrens zu sparen.
       
       Zur Frage, welche Wartezeit zumutbar ist, gibt es nach Angaben der
       Gerichtssprecherin noch keine Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts
       oder des Bundesverwaltungsgerichts. Allerdings hätten sich in erster
       Instanz bereits Verwaltungsgerichte in verschiedenen Städten mit ähnlichen
       Fällen befasst.
       
       Nach Angaben des Flüchtlingsrats gehören Flüchtlinge aus Somalia zu den
       Gruppen, die lange einer Entscheidung harren müssen. „Die Leute warten oft
       30 Monate und länger auf ein Verfahren“, sagt Weber. „Das ist
       unerträglich.“ Priorität aus Sicht des Bundesamtes hätten Flüchtlinge vom
       Balkan, aus Syrien oder dem Irak, „die mit einer schnellen Anerkennung
       rechnen können oder mit einer schnellen Ablehnung“, sagt Weber.
       
       Somalier mussten laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage
       der Linken 2014 im Durchschnitt neun Monate auf einen Bescheid warten,
       SyrerInnen und Angehörige religiöser Minderheiten aus dem Irak sieben
       Monate; PakistanerInnen mit 16 Monaten am längsten. Der Durchschnitt lag
       bei sieben Monaten. SomalierInnen gehörten 2014 mit 57 Prozent zu den
       Flüchtlingen, die am häufigsten gegen ihren Bescheid klagten.
       
       Einer Klage gegen das Bundesamt wegen Untätigkeit hat unter anderen das
       Verwaltungsgericht Regensburg im Mai stattgegeben. In dem Fall hatte eine
       afghanische Familie seit fast zwei Jahren auf eine Entscheidung über ihren
       Asylantrag gewartet.
       
       Die „andauernde Arbeitsüberlastung des Bundesamtes“ könne kein Grund dafür
       sein, den Asylantrag nicht zu entscheiden, urteilte das Gericht. Die Kläger
       hätten laut Grundgesetz einen Anspruch, dass das Bundesamt sie anhöre und
       in angemessener Frist entscheide. Das Gericht verpflichte das Amt, das
       Verfahren binnen drei Monaten zu entscheiden.
       
       Für seine Überforderung ist das Bundesamt aus Sicht des Flüchtlingsrates
       zum Teil selbst verantwortlich. „Die Flüchtlingsräte fordern, dass das sehr
       aufwändige Dublin-Verfahren auf Eis gelegt wird“, sagt Weber. Durch das
       Verfahren, mit dem Schutzsuchende an den Staat überstellt werden, über den
       sie in die EU eingereist sind, sei Deutschland per Saldo nur die
       Zuständigkeit für 2.500 Flüchtlinge losgeworden.
       
       Ähnlich sinnlos sei die im August wieder eingeführte Möglichkeit,
       Aufenthaltsverbote zu erteilen, und das Widerrufsverfahren, bei dem
       Asylbescheide systematisch nach drei Jahren überprüft würden. In anderen
       Ländern seien die Asylverfahren nicht zuletzt deshalb kürzer, weil sie sich
       nicht so viele überflüssige Verfahren leisteten.
       
       „Wir könnten mehr Fälle entscheiden, wenn sich das Bamf auf sein
       Kerngeschäft, die Asylverfahren, beschränken würde“, sagt Weber. Dass sich
       ein anderer Teil des Bundesamtes mit seinen gut 3.000 MitarbeiterInnen mit
       anderen Dingen, etwa der Integration, befasse, sei dabei unbenommen.
       
       Mit dem Nachtragshaushalt 2015 hat das Amt 1.000 zusätzliche Stellen für
       den Asylbereich erhalten. Im September waren bereits über 600 BewerberInnen
       ausgewählt, bis Ende November sollten alle Stellen besetzt sein. Dann
       würden 450 Asyl-BearbeiterInnen mehr als 2014 an den Entscheidungen
       arbeiten. Daneben werde auch Personal zur Annahme der Asylanträge benötigt.
       
       13 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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