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       # taz.de -- Fracking lässt die Erde beben: Wackeliges Niedersachsen
       
       > Die Bundesregierung gib erstmals zu, dass Erdbeben in Niedersachsen wohl
       > doch von der Gasförderung verursacht werden.
       
   IMG Bild: Hände weg von Niedersachsen? Die Tektonik würde es danken.
       
       HAMBURG taz | Mindestens vier Erdbeben wurden seit 2012 in Niedersachsen
       „wahrscheinlich“ oder „sehr wahrscheinlich“ durch Erdgasförderung
       ausgelöst. Das räumt die Bundesregierung jetzt in ihrer schriftlichen
       Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag
       ein. Auch bei zwei früheren Beben 2011 und 2008 sei ein solcher
       Zusammenhang „naheliegend“ oder zumindest „nicht auszuschließen“. Damit
       wird von höchster politischer Stelle erstmals ausdrücklich bestätigt, dass
       die Förderung von Gas aus tiefen Schichten zu Erschütterungen und Schäden
       an Gebäuden führen kann. Konsequenzen will die Bundesregierung daraus aber
       nicht ziehen. Ihr lägen „keine Hinweise vor, dass Erdbebenrisiken durch die
       zuständigen Landesbehörden vernachlässigt würden“.
       
       Diese Haltung sei „grob fahrlässig und gemeingefährlich“, kommentiert
       Fragesteller Herbert Behrens, Bundestagsabgeordneter der Linken aus dem
       niedersächsischen Bundestagswahlkreis Osterholz-Verden, in dem etliche
       Erdgasfelder ausgebeutet werden. Die Bundesregierung verfahre „nach dem
       Motto: Wir fahren gegen die Wand, deshalb geben wir nochmal richtig Gas.“
       
       Kritik an der „Goldgräberstimmung bei der Ausbeutung fossiler Energien“
       kommt auch vom niedersächsischen Naturschutzbund (Nabu). „Ein
       Fördermoratorium“ fordert der stellvertretende Landesgeschäftsführer Ulrich
       Thüre: „Zunächst müssen alle Risiken für Mensch und Natur lückenlos
       erforscht und unter Beteiligung der Öffentlichkeit bewertet werden.“
       
       In Niedersachsen werden rund 95 Prozent des deutschen Erdgases aus Tiefen
       von zumeist etwa 5.000 Metern gefördert. Nach einer Statistik des
       Landesbergbauamtes gab es seit 1977 rund 60 Beben in den betroffenen
       Gebieten. Mehr als die Hälfte davon hätten Anwohner „deutlich gespürt“.
       Zuletzt habe die Erde Mitte Juli in Staffhorst im Kreis Diepholz gebebt.
       Als Auslöser sei die dortige Erdgasförderung „wahrscheinlich“, heißt es
       jetzt. Am Epizentrum befindet sich ein Erdgasfeld, in dessen Nähe es schon
       1996, 2011 und zuletzt Anfang Mai schwache Beben gab.
       
       Das jüngste Beben von Mitte Juli erreichte eine Stärke von 2,1 und lag
       damit laut der Behörde „an der Grenze der Spürbarkeit“. Das bislang
       stärkste Beben wurde am 1. Mai 2014 in Syke bei Bremen registriert. In
       seinen stärksten Ausprägungen erreichte es die Kategorie 5 auf der
       Richterskala – das ist an der Grenze zu einem „mittelschweren Beben“. Noch
       aktiver ist die Region mit Europas größten Erdgasvorkommen im
       niederländischen Groningen, unmittelbar an der Grenze zu Ostfriesland und
       dem Emsland (siehe Kasten). Bis zu 80 „seismische Ereignisse“ pro Jahr
       werden dort gemessen, berichtet die Bundesregierung. Jedoch sei eine
       „Schadeneinwirkung auf niedersächsisches Gebiet als sehr gering
       einzustufen“. Das gelte auch „für deutsche Deiche“ an der Nordseeküste.
       
       Zugleich aber räumt die Bundesregierung ein, dass es noch zu wenige
       systematische Untersuchungen gebe. Wegen der zunehmenden Häufigkeit
       kleinerer Beben wurde vor einem halben Jahr das Kontrollnetz ausgebaut. 38
       statt zuvor 16 Messstationen überwachen seitdem rund 10.000
       Quadratkilometer zwischen der Elbe und den Niederlanden – ein zu kurzer
       Zeitraum, um präzise Ergebnisse zu liefern.
       
       Auch das umstrittene Fracking sieht die Bundesregierung nicht als Problem.
       Denn künftig müsse für diese Fördermethode eine
       Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt und ein „seismologisches
       Basisgutachten“ erstellt werden. Zudem gelte in den meisten Bundesländern
       ein Fracking-Moratorium, so dass diese Methode aktuell nicht eingesetzt
       werde. Das wiederum findet Behrens „zynisch“, weil der Bund zur Zeit
       versuche, diese Förderstopps mit einem Fracking-Gesetz auszuhebeln. Das
       müsse verhindert werden, fordert Behrens: „Jetzt muss ein Fracking-Verbot
       im Bundesbergrecht verankert werden.“
       
       7 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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