URI: 
       # taz.de -- Frankreich entzieht Staatsbürgerschaft: Exterroristen ohne Nationalität
       
       > Die Regierung will fünf verurteilten Terroristen die französische
       > Nationalität entziehen. Ihre Strafen haben sie bereits verbüßt.
       
   IMG Bild: Glaubt, dass die ehemaligen Terroristen immer noch eine Gefahr darstellen: Innenminister Bernard Cazeneuve
       
       Paris taz | Fünf Männer mit doppelter Staatsbürgerschaft, die wegen
       Beteiligung am Terroranschlag von Casablanca im Mai 2003 verurteilt worden
       waren, sollen jetzt ihre französische Nationalität verlieren. Bei dem im
       Auftrag von al-Qaida verübten Attentat waren 43 Menschen, darunter drei
       Franzosen, getötet worden. Die fünf Männer wuchsen gemeinsam in
       Vorstadtquartieren des Departements Yvelines, westlich von Paris, auf und
       hatten sich unter dem Einfluss eines marokkanischen Hasspredigers
       radikalisiert.
       
       2004 wurden sie als Mitglieder der Terrororganisation „Groupe islamique
       combattant marocain“ (GICM) verhaftet und 2007 wegen Beihilfe zum
       terroristischen Anschlag von Casablanca verurteilt. Nach der Verbüßung
       ihrer mehrjährigen Haftstrafen leben sie in Frankreich auf freiem Fuß und
       versichern laut ihren Anwälten, dass sie keine Gefahr darstellten.
       
       Dem widerspricht Innenminister Bernard Cazeneuve unter Berufung auf
       Hinweise von Nachrichtendiensten und der Justiz. Auch wenn sie derzeit
       nicht angeklagt seien, so stünden die fünf weiterhin in engem Kontakt zur
       „radikalen islamistischen Bewegung“, die den Dschihad unterstützt. Wie
       einer der beiden Attentäter von Charlie Hebdo, Chérif Kouachi, gehört auch
       Fouad C. angeblich zum Umkreis des algerischen Terroristen Djamel Beghal.
       
       Ein anderer, Rachid El-H., wird wegen seiner Kontakte zu Sid Ahmed Ghlam
       verdächtigt. Dieser sitzt wegen eines im April vereitelten Anschlags gegen
       eine Kirche und wegen der mutmaßlichen Ermordung einer Autofahrerin in
       Untersuchungshaft.
       
       Von den ehemaligen GICM-Mitgliedern, die laut Behörden nicht die geringsten
       Zeichen von Reue gezeigt hätten, laufen andere Fäden zu ehemaligen
       Guantanamo-Gefangenen sowie zu einer „humanitären“ Organisation. Diese
       sammele in Frankreich Geld für die „Kämpfer in Syrien“ und gehöre zur
       verbotenen Gruppe „Forsane Alizza“ von Mohamed Achamlane. Er war im Juli
       wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung mit terroristischen Zielen zu
       neun Jahren Haft verurteilt worden.
       
       Innenminister Cazeneuve hat jetzt vor der Nationalversammlung bestätigt,
       dass gegen die fünf, von denen vier auch die marokkanische Nationalität und
       einer die türkische besitzt, die sehr selten verwendete Prozedur des
       Entzugs der französischen Staatsbürgerschaft eingeleitet worden ist.
       
       ## Bei Menschenrechtlern verpönt
       
       Dies könnte zur Folge haben, dass sie im Falle eines Auslieferungsantrags
       ausgeliefert werden können. Seit 2000 ist lediglich in acht Fällen der
       Paragraf 25 des Zivilgesetzbuchs, der den Entzug der Staatsbürgerschaft
       wegen Terrorismus vorsieht, zur Anwendung gekommen.
       
       Es handelt sich nicht um eine strafrechtliche Verurteilung, sondern eine
       administrative Maßnahme mit symbolischer Bedeutung. Die Betroffenen haben
       eine zweimonatige Frist, um den Entscheid vor dem obersten
       Verwaltungsgericht anzufechten.
       
       In französischen Menschenrechtsorganisationen ist diese „administrative“
       Zusatzstrafe verpönt, nicht zuletzt deshalb, weil sie in Frankreich an
       Praktiken des Vichy-Regimes während der Nazi-Besetzung erinnert.
       
       8 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Terrorismus
   DIR Staatsbürgerschaft
   DIR doppelte Staatsbürgerschaft
   DIR Nationalität
   DIR Kolumne Die Nafrichten
   DIR Charlie Hebdo
   DIR Schwerpunkt Frankreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Anschläge von Casablanca 2003: Terror, Krieg, Terror
       
       Am 16. Mai 2003 griffen Attentäter zeitgleich mehrere symbolische Orte in
       Casablanca an. Nicht nur in Marokko begann damit eine neue Zeitrechnung.
       
   DIR Umzug innerhalb von Paris: Eigene Räume für „Charlie Hebdo“
       
       Nach dem Terroranschlag vom Januar wird die Satirezeitung „Charlie Hebdo“
       künftig in einem Hochsicherheitsbüro produziert.
       
   DIR Schüsse in französischem Schnellzug: Schütze mutmaßlicher Islamist
       
       Möglicherweise sind Hunderte Fahrgäste auf dem Weg nach Paris nur knapp
       einem Blutbad entkommen. Mutige Passagiere überwältigen den Angreifer.