URI: 
       # taz.de -- Porträt Sheila Watt-Cloutier: Das Recht auf Kälte
       
       > Die „Mutter der Inuit-Umweltbewegung“ kämpft gegen die Arktis-Zerstörung.
       > Nun wird Watt-Cloutier mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
       
   IMG Bild: Aktivistin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises: Sheila Watt-Cloutier.
       
       STOCKHOLM taz | „Alle reden nur von den Eisbären“, beklagte sich Sheila
       Watt-Cloutier, als sie 2007 im norwegischen Stavanger den
       „Rachel-Carson-Preis“ entgegen nahm: „Anscheinend wird nur zu schnell
       vergessen, dass dort auch Menschen leben, dass der Klimawandel auch ein
       menschliches Antlitz hat.“
       
       Als „Mutter der Umweltbewegung der Inuit“ und „Anwältin für ihr Volk“
       hatten RednerInnen die Aktivistin damals bezeichnet. Sie ist die
       international bekannteste Repräsentantin der Inuit der letzten beiden
       Jahrzehnten und wurde mehrmals auf der Top-Ten-Liste der auflagenstärksten
       kanadischen Tageszeitung The Globe and Mail als eine der „wichtigsten
       Kanadier“ geführt.
       
       Geboren 1953 in Kuujjuaq im Norden der kanadischen Provinz Quebec,
       „verbrachte ich meine ersten zehn Lebensjahre vorwiegend auf dem
       Hundeschlitten“, pflegt Watt-Cloutier ihre Kindheit zu beschreiben. Nach
       einem Pädagogik- und Soziologiestudium an der Universität Montreal
       engagierte sie sich seit Ende der achtziger Jahre für eine Verbesserung der
       Krankenfürsorge und des Bildungswesens der Inuit-Bevölkerung.
       
       1995 wurde sie zur Vorsitzenden des kanadischen Zweigs der „Inuit
       Circumpolar Conference“ (ICC) gewählt, einer NGO die rund 150.000 Inuit
       repräsentiert, die in Russland, Kanada, den USA und auf Grönland leben.
       Internationale Aufmerksamkeit erregte sie, als sie als Sprecherin der Inuit
       bei der Konferenz in Stockholm auftrat, welche 2001 die Konvention zum
       Verbot persistenter organischer Schadstoffe (“Dreckiges Dutzend“)
       verabschiedete.
       
       Dort schilderte sie eindringlich, wie beispielsweise PCB und DDT sich
       gerade in der traditionellen Nahrung der Inuit angereichert hätten.
       Zusammen mit Schwermetallen, die Beutetiere vergifteten und damit
       ausgerechnet die Gesundheit von Menschen bedrohten, welche für die
       Freisetzung dieser Umweltgifte in keinster Weise verantwortlich sind. Von
       2002 bis 2006 war sie ICC-Präsidentin.
       
       ## Blutiger Ernst
       
       Die Folgen der Klimaveränderung und deren durchgreifende Auswirkungen auf
       die Lebenssituation und die Kultur der UreinwohnerInnen der Arktis sind
       ihre Hauptthemen. 2005, anlässlich der Verleihung des von dem norwegischen
       Schriftsteller Jostein Gaarder gestifteten „Sofie-Preises“, warnte sie: „Es
       scheint unser Schicksal zu sein, dass wir eine Art Alarmglocke für den Rest
       der Welt sind. Für den Globus stellen die Klimaveränderungen eine künftige
       Gefahr dar. Doch für uns, die wir in den arktischen Gebieten leben, ist es
       bereits blutiger Ernst.“
       
       Sie befürchte, dass die Kultur der Inuit zusammen mit dem Eis ganz
       verschwinden könne: „Aber Eis und Schnee repräsentieren Leben. Die Arktis
       ist keine Wildnis, sie ist unser Zuhause. Zusammen mit dem Auftauen des
       Permafrosts brechen jetzt dort nicht nur die Häuser und Strassen ein.
       Unsere gesamte Gesellschaft bricht auseinander.“
       
       Als machtloses Opfer sieht sie sich und ihr Volk aber nicht: „Das bin ich
       schon meinem Enkelsohn schuldig.“ Mit der Begründung, „die Zerstörung
       unserer Lebensumwelt ist direkte Folge des Konsums in der reichen Welt“,
       brachte Watt-Cloutier 2005 zusammen mit 62 anderen Inuit bei der
       Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte eine Petition ein,
       welche die USA wegen ihres starken Beitrags zur Klimaerwärmung der
       Verletzung von Menschenrechten anklagte.
       
       ## Kollektiven Rechte
       
       Auch wenn die Petition kein Gehör fand, so habe doch die damalige Debatte
       die kollektiven Rechte der indigenen Völker und die unbestreitbare
       Verbindung zwischen Klimawandel und Menschenrechten auf die Agenda gesetzt,
       betont die „Right Livelihood“-Stiftung.
       
       In den vergangenen Jahren arbeitete Watt-Cloutier als Universitätslehrerin,
       wurde mit 16 Ehrendoktortiteln und zahlreichen Preisen und Auszeichnungen
       gewürdigt, darunter dem der „Umweltheldin“ durch das US-Nachrichtenmagazin
       Time. Sie war für den Friedensnobelpreis nominiert, absolvierte unzählige
       Vortragsreisen und sprach auf der Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen.
       
       Im März veröffentlichte sie das Buch „The right to be Cold“ über ihr Leben,
       in dem geschildert wird, wie sich die Welt der Inuit geändert hat und wie
       sie die Arktis und damit den ganzen Planeten schützen möchte.
       
       1 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
   DIR Alternativer Nobelpreis
   DIR Inuit
   DIR Arktis
   DIR Indigene Kultur
   DIR Uganda
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR NSA
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR „Eisfuchs“ von Tanya Tagaq: Sie schlägt sich durch
       
       Sängerin und Autorin Tagaq erzählt rotzig vom Aufwachsen in der kanadischen
       Arktis. Von Missbrauch, Natur und surrealen Traumwelten.
       
   DIR LGBT-Aktivistin über ihr Leben in Uganda: „Wir müssen berechnend sein“
       
       Die Trägerin des „Alternativen Nobelpreises“ Kasha Nabagesera spricht
       darüber, welchen Gefahren sie in ihrem Heimatland ausgesetzt ist.
       
   DIR Klimavortreffen in Bonn: Das kann ja heiter werden
       
       Die letzte Zwischenkonferenz vor dem Pariser Klimagipfel löst keine
       Probleme. Denn im Abschlussdokument werden alle Entscheidungen vertagt.
       
   DIR Bündnis gegen Klimawandel: Vereint gegen Naturkatastrophen
       
       In Lima haben sich die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder zur
       V20-Allianz zusammengetan. Sie wollen ein Gegengewicht zur G 20 bilden.
       
   DIR Alternativer Nobelpreis 2015: Für die gute Sache
       
       Die „Right Livelihood Stiftung“ ehrt den Einsatz gegen Krieg, Klimawandel
       und Diskriminierung. Nun wurden die Kandidaten bekanntgegeben.
       
   DIR Alternativer Nobelpreis für Snowden: „Dies ist erst der Anfang“
       
       Bei der Verleihung des Alternativen Nobelpreises appelliert Snowden an die
       UN, mehr für den Schutz der Privatspähre zu tun. Auch Alan Rusbridger vom
       „Guardian“ wird geehrt.