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       # taz.de -- Polizei auf Rädern: Sheriffs auf der Überholspur
       
       > Ein Jahr nach Einführung einer Fahrradstaffel in Mitte ziehen Polizei und
       > Unfallforscher eine positive Zwischenbilanz. ADFC fordert Ausweitung.
       
   IMG Bild: Bis zu 40 Kilometer legen die Polizeiradler am Tag zurück
       
       Ein bis zwei Radfahrer liefern sich pro Woche im Bezirk Mitte eine
       Verfolgungsjagd mit Beamten der Polizeifahrradstaffel. Zumeist sind das
       Rotlichtsünder, die so versuchen, dem Strafzettel zu entkommen. „Aber wir
       sind auch schnell“, sagte der Leiter der Fahrradstaffel, Sascha Ziegler.
       Wenn die Verfolgung zu gefährlich sei, unterlasse man das allerdings. Bei
       einem Fahrradkurier war das so. Der Mann habe um sich getreten und sich mit
       seinem Rad unter Missachtung aller Verkehrsregeln in den fließenden Verkehr
       gestürzt.
       
       Ein gutes Jahr nach der Einführung der Fahrradstaffel hat die Polizei am
       Montag Bilanz gezogen. An Unfallschwerpunkten im Bezirk Mitte, dem
       Einsatzgebiet der Staffel, ist die Anzahl der Unfälle mit Radbeteiligung um
       44 Prozent gesunken. „Das ist eine ausgesprochen erfreuliche Botschaft“,
       sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung des Gesamtverbandes
       Deutscher Versicherer.
       
       Brockmann und seine Leute haben das erste Einsatzjahr evaluiert. Die aus 20
       Beamtinnen und Beamten bestehende Fahrradstaffel wurde im Juli 2014
       eingeführt. Der Modellversuch ist zunächst auf drei Jahre angelegt. „Die
       bisherigen Ergebnisse bestätigen uns in der Annahme, dass es Sinn macht,
       eine Fahrradstaffel einzurichten,“ sagte Polizeipräsident Klaus Kandt. Der
       ADFC forderte am Montag erneut eine Ausweitung auf alle Bezirke.
       
       Evaluiert worden ist das Verkehrsgeschehen an drei Kreuzungen in Mitte:
       Ecke Unter den Linden und Glinkastraße; Ecke Leipziger Straße und
       Mauerstraße; Potsdamer Platz. Auch eine Befragung von Verkehrsteilnehmern
       wurde durchgeführt. Im Vergleich zu vorher sind die Unfälle, bei denen
       Radfahrer schwer verletzt oder getötet werden, von 12 auf 9 Prozent
       zurückgegangen. Bei den von Radfahren mitverursachten Unfällen mit schwerem
       Personenschaden sank die Zahl von 18 auf 13 Prozent.
       
       Die gleiche Untersuchung und Befragung wurde in Neukölln rund um Kottbusser
       Tor/Damm und Ecke Hermannplatz/Sonnenallee durchgeführt. Dort gibt es keine
       Polizei-Fahrradstaffel. In Mitte waren nicht nur die Unfälle mit
       Personenschaden geringer als in Neukölln. Auch die Rotlichtverstöße haben
       in Mitte deutlicher abgenommen. Beim Fahren in falscher Richtung auf
       Radwegen nahmen die Fälle in Neukölln sogar um 2 Prozent zu, während sie in
       Mitte um 6 Prozent zurückgingen.
       
       Insgesamt haben die Polizisten auf Rädern von August 2014 und Juni 2015
       rund 12.000 Ordnungswidrigkeiten geahndet. Rund 5.300 davon betrafen
       Fehlverhalten von Radfahrern, rund 6.600 von Kraftfahrern. Behauptungen des
       ADFC, wonach die Polizeistaffel sich vor allem Radler vorknöpft, seien also
       Legende, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt.
       
       Allerdings seien nur 200 Ahndungen gegen Autofahrer wegen falschen
       Abbiegeverhaltens erfolgt, räumte Kandt auf Nachfrage ein. Falsches
       Abbiegeverhalten ist Hauptunfallursache, wenn Radfahrer schwer zu Schaden
       kommen. Diesen Verkehrsverstoß zu beweisen sei sehr personalintensiv, sagte
       Kandt. Bis zu fünf Beamte, auch in Zivil, seien dazu an einer Kreuzung
       erforderlich.
       
       Wenig Begeisterung über die Fahrradstaffel haben bei den Befragungen laut
       Unfallforscher Brockmann Taxifahrer, Radkuriere und Fixiefahrer (sie fahren
       ohne vorgeschriebene Bremsen) gezeigt. Das Verhältnis zu den Kurierdiensten
       habe sich inzwischen aber deutlich gebessert, korrigierte Straffelleiter
       Ziegler. Den Fahrer, der ihnen entwischt war, habe man übrigens drei Tage
       später an einer roten Ampel festgenommen – man trifft sich halt immer
       zweimal im Leben.
       
       19 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
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