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       # taz.de -- Pegida-Bewegung im Visier: Schluss mit harmlos
       
       > Nach der Attacke auf die designierte Kölner OB Henriette Reker verschärft
       > die Politik den Ton gegenüber Asylfeinden deutlich.
       
   IMG Bild: Im Visier der Sicherheitsbehörden: Pegida-Anhänger im Oktober in Dresden.
       
       BERLIN taz | Die Frau trägt Kapuze, ein Tuch über die Nase gezogen. In
       einem Wald attackiert sie mit einer Messerattrappe einen
       Gesinnungskameraden, sticht in Richtung seines Halses. Es ist eine
       Nahkampfübung von Neonazis, im Frühjahr aufgezeichnet. Später legt die
       Vermummte ihre Maskerade ab: Es ist Melanie D., Mitorganisatorin vom
       Düsseldorfer Pegida-Ableger.
       
       Es sind solche Szenen, die die Sicherheitsbehörden beunruhigen. Nach
       [1][dem Messerattentat auf die neue Kölner Oberbürgermeisterin Henriette
       Reker] verschärft die Politik nun den Ton gegenüber Asylfeinden. Auch die
       Sicherheitsbehörden justieren um.
       
       Noch am Montagnachmittag übernahm Generalbundesanwalt Peter Frank die
       Ermittlungen zum Fall Reker. Er begründete dies mit der „Schwere der Tat“
       und der „Signalwirkung“, die der Täter erzielen wollte: „ein Zeichen gegen
       die aus seiner Sicht immer höher werdende Anzahl der von der Bundesrepublik
       aufgenommenen Flüchtlinge“.
       
       Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nahm zuvor schon die geistigen
       Anstachler ins Visier: „Hass bereitet den Boden für solche Taten, auf den
       Straßen und im Internet.“ Als Adressaten benannte er: Pegida. Die Bewegung
       werde inzwischen von „harten Rechtsextremisten“ organisiert. „Inzwischen
       ist das völlig eindeutig.“
       
       Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) nahm am Montag auch die AfD in
       Mitverantwortung. Lange sei es „nur unanständig“ gewesen, was die Partei
       treibe. „Jetzt wird es gefährlich.“
       
       [2][Seit einem Jahr trägt Pegida in Dresden Anti-Asyl-Parolen auf die
       Straße], Ableger tun es in anderen Städten. Zuletzt rief auch die AfD zu
       Kundgebungen gegen das „Asylchaos“ auf. Bisher reagierte die Politik
       zurückhaltend. Gabriel traf sich mit Pegida-Anhängern zum Dialog, de
       Maizière mahnte, die dortigen „Sorgen“ ernstzunehmen.
       
       Das ist nun vorbei. Laut de Maizière beobachtet inzwischen der
       Verfassungsschutz Pegida. Eine „rechtsextremistische Steuerung“ sei bei
       Ablegern in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und
       Bayern festzustellen.
       
       ## Besuche bei Rädelsführern
       
       Aus dem sächsischen Verfassungsschutz hieß es am Montag dagegen, das
       Bündnis sei „weiterhin kein Beobachtungsobjekt“. Offenbar haben die
       Sicherheitsbehörden aber die Pegida-Köpfe im Visier. Hintergrund sei das
       zunehmende „hetzerische und aggressive Potenzial der Veranstaltungen“.
       
       [3][Der Dresdner Pegida-Gründer Lutz Bachmann ist bereits wegen
       Volksverhetzung angeklagt]. Auch gegen Melanie D. aus NRW wird ermittelt.
       In München prüft sogar die Bundesanwaltschaft bei einem Pegida-Vorstand,
       Heinz M., den Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung.
       
       Der Bundesverfassungsschutz verschickte bereits vor Wochen einen Fragebogen
       an seine Landesämter, wo „Anti-Asyl-Aktivitäten“ abgefragt werden –
       inklusive Redner und „Aggressionsniveau“. Zudem sollen demnächst
       „Rädelsführer“ der rechten Szene gezielt angesprochen werden. Das
       Bundeskriminalamt arbeitet zudem an neuen „Erhebungskriterien“, um
       „differenziertere Lagebilder“ zu den Veranstaltungen zu bekommen.
       
       Das Problem: Täter wie den Kölner Frank S. haben die Sicherheitsbehörden
       nicht in der Kartei – obwohl der 44-Jährige in den Neunzigern durchaus
       rechtsextrem organisiert war und laut dem Verfassungsschutz
       Nordrhein-Westfalen 2008 auch „Interesse an der NPD gezeigt“ habe.
       
       ## Asylbefürworter „an die Wand stellen“
       
       Der Blick der Behörden hat sich daher nun geweitet. In Sachsen-Anhalt wird
       laut Medienberichten inzwischen der erste AfD-Landesverband vom
       Verfassungsschutz beobachtet. Das Innenministerium wollte sich dazu nicht
       äußern, die Rede ist von einer Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen.
       Dem AfD-Landesverband steht der stramme Rechtsaußen André Poggenburg vor.
       Ein Kreisvorstandsmitglied hatte dort jüngst im Internet gefordert,
       Asylbefürworter „gehören an die Wand gestellt“.
       
       Andere Bundesländer zögern noch. In Thüringen beobachtet der
       Verfassungsschutz die AfD nicht, teilte das Innenministerium am Montag mit.
       Dort allerdings hatte zuletzt Landeschef Björn Höcke mit besonders
       schrillen Töne die Asyldebatte angeheizt. An dessen AfD-Kundgebungen
       beteiligten sich auch Neonazis. Innenminister Holger Poppenhäger (SPD)
       betonte dennoch, die Sicherheitsbehörden seines Landes nähmen „die Gefahr
       rechtsextremer Attacken und die Rolle der Anheizer sehr ernst“. „Wir
       beobachten das äußerst aufmerksam.“
       
       Das BKA warnt vor einer „katalysierenden Wirkung“ der Anti-Asyl-Hetze. Mit
       der Attacke von Köln, so heißt es in Sicherheitskreisen, sei nun „passiert,
       wovor wir lange gewarnt haben“. Der Schritt zur Tat war aber schon längst
       Realität: Unabhängige Initiativen zählen in diesem Jahr bundesweit bereits
       178 Verletzte durch rassistische Gewalt.
       
       20 Oct 2015
       
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