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       # taz.de -- Zukunft der Fifa: Ohne Blatter geht’s nicht
       
       > Wer soll die Fifa nach dem Skandal leiten? Joseph Blatter, Diego Maradona
       > oder doch lieber die Fans?
       
   IMG Bild: Wer kommt nach diesen seriösen Herren? Die nächste Garnitur
       
       ## Der forsche Franzose
       
       Dass er sein Amt aufgeben will, hat Blatter doch eh keiner abgenommen. Wer
       soll den Weltverband auch sonst übernehmen? Die Ethikkommission wird bis
       Ende Februar schon dafür sorgen, dass alle denkbaren Konkurrenten ein
       Verfahren an den Hals bekommen. Es gibt ja auch noch andere Wege, mögliche
       Kritiker gewogen zu stimmen. Blatter kennt sich da aus.
       
       Und er ist es auch, der die Fifa vor dem Totalzusammenbruch bewahren kann.
       Er weiß, welche Dokumente geschreddert werden müssen, welche sinistren
       Gestalten entsorgt werden müssen und wem der Verband noch einen Gefallen
       schuldet. Ein gesundes „Weiter so“ ist das Überlebenselixier der Fifa.
       
       Und Michel Platini? Der ist ja noch ein junger Kerl (60) und darf sich
       gewiss noch einmal bewähren. Wenn Blatter (79) in 20 Jahren abtritt, dann
       hat der forsche Franzose vielleicht endlich die Reife, die es für das hohe
       Amt braucht.
       
       Andreas Rüttenauer 
       
       Schafft zwei, drei, viele Fifas! 
       
       Erstaunlicherweise gibt es bislang nur einen Fußballweltverband, obwohl das
       doch eine lukrative Sache ist. Neben der Fédération Internationale de
       Football Association kann es aber nach Vorbild des von Skandalen weitgehend
       freien Profiboxsports noch mehr Verbände geben: Football World Association
       (FWA), International Soccer Union (ISU), Global Football Federation (GFF) …
       Jeder, dem noch Buchstabenkombinationen einfallen, sollte seinen eigenen
       Weltverband gründen.
       
       Das erlaubt dann auch die Verwertung von viel, viel mehr
       Weltmeisterschaften – nicht nur alle vier Jahre ein Turnier. Schließlich
       haben ja die Boxverbände schon längst „Super World Champion“- und „Interim
       World Champion“-Titel eingeführt, es gibt neben dem jeweiligen Weltmeister
       auch den „International Champion“, der zwar nicht der beste Boxer der Welt,
       wohl aber der aller Kontinente ist.
       
       Während sich die DFB-Elf nach dem letzten Turnier als simpler Weltmeister
       in der Version der Fifa fühlen könnte, lautete der Titel für Brasilien, das
       schon fünf Mal ein WM-Turnier gewonnen hat, Superweltmeister. Und Spanien
       könnte nach dem WM-Titel 2010 und den Erfolgen bei der EM 2008 und 2012
       getrost als Internationaler Meister durchgehen. Und das nur nach Version
       der Fifa!
       
       Eine solche Verbandsreform böte auch Fußballnationen wie England oder
       Uruguay die Chance, wieder Fußballweltmeister zu werden. Nach Version der
       FWA, der ISU oder der GFF.
       
       Martin Krauss 
       
       Messias Maradona 
       
       Man stelle sich das nur mal bildlich vor: wie kleines, dickes Diego in die
       Fifa-Zentrale am Fuße des Zürichbergs einzieht. Wie Maradona mit dem
       Luftgewehr, das er sonst gegen Journalisten einsetzt, die korruptesten der
       korrupten Funktionäre davonjagt. Wie er mit seinem gefürchteten
       Wasserschlauch den Laden endlich mal richtig ausmistet. Wie er Fidel Castro
       zum Ehrenpräsidenten ernennt. Wie er Hugo Chávez als Berater engagiert, ihm
       statt der üblichen Millionen aber nur ein paar Freikarten schenkt und mit
       dessen als Präsident des ölreichen Venezuela gewonnener Expertise die Fifa
       zum gemeinnützigen Verein umbaut, auf dass die Milliarden aus der
       Vermarktung der WM-Turniere endlich wirklich dem Fußball auf der ganzen
       Welt zugutekommen und nicht in den Taschen zwielichtiger regionaler
       Würdenträger verschwinden. Wie er in der Eröffnungsrede der WM 2018
       Gigantomanie und Nationalismus eine dermaßen eindeutige Absage erteilt,
       dass Gastgeber Wladimir Putin neben ihm ganz blass wird. Wie er beim Finale
       das Trikot der Albiceleste zuerst unter seinem dunkelblauen Anzug verbirgt,
       sich dann aber, als Lionel Messi in der Verlängerung gegen Deutschland per
       Volleyschuss den Siegtreffer erzielt, den feinen Zwirn vom Leibe reißt und,
       nachdem er aufs Moskauer Spielfeld gestürmt ist, als erster Präsident in
       der Geschichte der Fifa von einem frustrierten Manuel Neuer mit einer
       Weißbierdusche bedacht wird.
       
       Man wird ja wohl mal träumen dürfen.
       
       Thomas Winkler 
       
       Reclaim the game 
       
       Eine der wichtigsten Fußballregeln lautet bekanntlich: Entscheidend ist
       auffem Platz. Und genau dort, nämlich auf dem Tahrirplatz von Kairo, dem
       Gezipark in Istanbul und dem Maidan in Kiew, haben die Ultras bekanntlich
       schon einiges Entscheidendes zur Weltgeschichte beigetragen. Ohne die
       militanten Fans, die nicht nur wissen, wie man über einen Zaun klettert,
       wie man Massen organisiert und dass ein Zweitorerückstand kurz vor Schluss
       kein Grund zum Verzweifeln ist, hätte es diese Demokratiebewegungen nicht
       gegeben. Grund genug, dass die härtesten Ultragruppen dieser Welt sich
       verabreden, mal gemeinsam nach Zürich zu fliegen und die Fifa-Festung
       einzunehmen.
       
       Schließlich sind es die Fans, die für sich reklamieren, dass es ihr Spiel
       ist, dass die Kickerei ihnen gehören soll und dass ihre Interessen
       gefälligst und endlich berücksichtigt werden müssen. Die Fifa zur von
       Ultras kontrollierten Vereinigung zu machen ist ein erster, ein
       entscheidender Schritt zur Demokratisierung des Weltfußballs.
       
       Beinahe alles, was derzeit beklagt wird, löste sich in Wohlgefallen auf:
       Nur noch Stehplätze, WM-Spiele fänden in Arenen wie der Schalker
       Glückauf-Kampfbahn oder an der Münchner Grünwalder Straße statt und die
       Pyrotechnik würde dem Fußball eine leuchtende Zukunft verheißen!
       
       Wenn der Weltfußball eine Revolution braucht, dann drängen sich die Fans
       als revolutionäre Subjekte eher auf als, sagen wir: Wolfgang Niersbach.
       
       Martin Krauss 
       
       Wenn schon Kapitalismus, dann richtig: Kalle mach et! 
       
       Okay, das ist jetzt nicht lustig. Aber wer den korrupten Fifa-Haufen
       loswerden und Fairness im Weltfußball will, dem bleibt nur eine
       realistische Alternative: Die European Club Association (ECA), die
       Interessenvertretung der kommerziell weltweit führenden Vereine, gründet
       einen eigenen Fußballverband, der die großen Turniere organisiert. Das wäre
       zwar nur die Fairness des Geldes, die dann Einzug hielte, aber wenigstens
       irgendeine Fairness.
       
       Die ECA, aktuell geführt von Karl-Heinz Rummenigge, steht vor allem für
       eins – den neoliberalen Geist, der im Spitzenfußball längst regiert. Aber
       die ECA brächte zumindest Realitätssinn und Fußballsachverstand ein,
       Qualitäten, die in der Fifa aktuell nicht allzu verbreitet scheinen. Aber
       klar, es säßen dann auch arabische Scheichs, russische Oligarchen und
       US-amerikanische Vermarktungsagenturen an den Schalthebeln. So würde sich
       der Weltfußball wenigstens ehrlich machen, und es wäre keine Bestechung
       mehr nötig, um eine WM nach Russland oder Katar zu bringen. Spitzenfußball
       ist Kapitalismus. Und wenn schon Kapitalismus, dann wenigstens richtig.
       
       Thomas Winkler
       
       10 Oct 2015
       
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