# taz.de -- Diskussion um Immunität: Schutz mit Prangerwirkung
> Nachdem sich die Verdächtigungen gegen Wilko Zicht als haltlos erwiesen
> haben, entbrennt eine Diskussion um die Immunität der Abgeordneten.
IMG Bild: Auch Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt zweifelt am Sinn der Abgeordneten-Immunität.
Bremen taz | Nachdem die Staatsanwaltschaft die durch die Polizei in Gang
gesetzten Ermittlungen gegen den Grünen-Abgeordneten Wilko Zicht mangels
Verdacht eingestellt hat, ist erneut die Diskussion um Konsequenzen aus dem
Vorgehen der Behörden entbrannt: Während die SPD-Fraktion vor allem das
Prinzip der Immunität von Abgeordneten problematisiert, haben Linke und
Grüne auch Aufklärungsbedarf angemeldet darüber, wie die Polizei überhaupt
zu ihren Verdächtigungen gekommen ist.
„Die Anschuldigungen gegen Wilko Zicht haben sich als haltlos erwiesen“,
resümierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Tschöpe. „Daher ist es nur
folgerichtig und angemessen, dass die Ermittlungen gegen ihn umgehend
eingestellt wurden.“
In den Raum gestellt hatten Beamte den Vorwurf, Zicht habe die Wirtin des
„Verdener Eck“ versucht dazu zu nötigen, rechtsradikalen Kunden ein
Hausverbot zu erteilen. Auslöser war, dass die Kneipe zum Ziel von Attacken
linksgerichteten Werder-Ultras geworden war, weil sie denen als Treff von
neonazistischen Hooligans galt.
Das sei „schwer nachvollziehbar“ so die grüne Fraktionsvorsitzende Maike
Schaefer, „da zu keiner Zeit eine Anzeige vorlag.“ Kristina Vogt, Chefin
der Linksfraktion, bezeichnete die Einleitung der Ermittlungen sogar als
„fatal“. Beim Innensenator war man nicht in der Lage, zu klären, ob das
Vorgehen der Polizei noch einmal überprüft wird, und vermied eine
Bewertung.
Zugleich bestätigte Ulrich Mäurers persönlicher Referent Nicolai Roth
allerdings, dass, wie von der taz geschildert, die Polizei selbst empfohlen
hatte „ein Gesprächsangebot Herrn Zichts anzunehmen“, und, dass die Polizei
aufgrund dieses Gesprächs einen „Prüfvorgang der Staatsanwaltschaft Bremen
zur rechtlichen Bewertung“ ausgelöst hatte – was, weil Nötigung ein
Offizialdelikt ist, zwingend zu Ermittlungen geführt hat.
Dass Polizei Handlungsanweisungen gibt, um in deren Befolgen den Eindruck
eines Straftatbestandes zu entdecken, ist ein sehr eigenartiger Vorgang.
„Das hat ein Geschmäckle“, so Vogt.
Dabei erweist sich als besonderer Nachteil das eigentlich als Schutz für
Parlamente geschaffene Sonderrecht der Immunität: Wird ein Abgeordneter
einer Straftat verdächtigt, muss die per Beschluss aufgehoben werden, damit
die Staatsanwaltschaft überhaupt auch nur Zeugen anhören kann.
Folge: Das Verfahren erreicht, noch bevor es überhaupt begonnen hat, große
Öffentlichkeit. Das sei „ein Problem der gegenwärtigen
Immunitätsregelungen“, analysiert Tschöpe. Trotz der vollständigen
Nichtigkeit der Vorwürfe sei Zicht nämlich „im Zuge der Berichterstattung
zur Aufhebung seiner Immunität mit dem Vorwurf „versuchte Nötigung“ in
Verbindung gebracht“ worden, so SPD-Fraktionsvorsitzende.
Dieser unbegründete ‚Makel‘ bleibe, kritisierte er. Deshalb sei es „an der
Zeit, dass das Parlament nochmals generell über die Immunitätsregel berät“.
Denkbar sei dabei aus seiner Sicht alles von einer Modernisierung bis hin
zur schlichten Abschaffung der Regularien. „Mit gutem Recht lässt sich
darüber diskutieren, ob die Immunitätsregelung nicht generell fallen
sollte“, so Tschöpe zur taz. Schließlich biete „die Unabhängigkeit der
Gerichte ausreichenden Schutz für die freie Mandatsausübung“.
Während die CDU-Fraktion „keinen Grund“ sieht, „an der Immunität für
Abgeordnete etwas zu ändern“, und es vielmehr für einen wichtigen Ausdruck
der Gewaltenteilung hält, „dass die Judikative mit der Legislative nicht
machen kann, was sie will“, schlägt die Linksfraktion in dieselbe Kerbe wie
die SPD: Durch die Immunitätsaufhebung werde jemand „öffentlich durchs Dorf
getragen“, monierte Vogt. Angesichts dieser Prangerwirkung bleibe die
Frage, „was bringt dann die Immunität?“
25 Oct 2015
## AUTOREN
DIR Benno Schirrmeister
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