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       # taz.de -- Die Briten und ihr James Bond: 007 und das verlorene Empire
       
       > Mit ihrem geopolitischen Minderwertigkeitskomplex brauchen die Briten die
       > Figur James Bond. 007 steht für den alten Glanz.
       
   IMG Bild: Die Verkörperung britischer Tradition: Bond-Darstellter Sean Connery, George Lazenby und Roger Moore.
       
       Der erste James-Bond-Roman erschien im Jahr 1953, im selben Jahr wurde
       Elisabeth II. zur Queen gekrönt. In vielerlei Hinsicht stehen beide Figuren
       für ein verlorenes Empire. Die eine ist eine Monarchin ohne Untertanen, der
       andere ein Spion ohne Auftrag. Die beiden sind Symbolfiguren für einen
       Imperialismus, den es nicht mehr gibt.
       
       Die Nachkriegszeit bedeutete für Großbritannien eine beschränkte
       Einflusssphäre und einen Verlust an Macht in internationalen Beziehungen.
       Die Suezkrise im Jahr 1956 ist ein gutes Beispiel dafür – die Historikerin
       Jan Morris nennt sie die „letzte Entfaltung des imperialen Machismo“. Die
       einstige Supermacht wurde zur regnerischen, europäischen Insel.
       
       Nur in der Fiktion konnte Großbritannien Mittelpunkt der Welt bleiben.
       James Bond bot den Briten eine fiktionale Alternative, in der
       Großbritannien noch wichtig war, doch ständig von äußeren Feinden bedroht.
       
       Und wer konnte diese Insel retten? Die Verkörperung britischer Tradition:
       Ein in Eton erzogener, Aston-Martin-fahrender Lebemann, komplett mit
       Smoking natürlich, vermutlich von der Savile Row. Er rettet oft nicht nur
       die Insel, sondern die ganze Welt. Insofern kann man von einem
       geopolitischen Minderwertigkeitskomplex sprechen.
       
       ## Die Queen und der Agent
       
       2012 feierte die Königin ihr diamantenes Thronjubiläum, das eine Million
       Fähnchen schwingende Menschen an der Themse besuchten, weitere 10 Millionen
       schauten BBC. Im selben Jahr erschien zum 50. Jubiläum der Bond-Film-Reihe
       „Sky Fall“, bislang der erfolgreichste Bond-Film.
       
       Was diese Ereignisse gemeinsam haben? Sie feiern alles, was britisch ist.
       Die Briten brauchen Bond wie noch nie.
       
       Auch 2012 traten Elisabeth und James Bond zum ersten Mal gemeinsam auf. Als
       Teil der Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele in London begleitete
       Daniel Craig als Bond die Königin in einem Hubschrauber zum Olympiastadion.
       Über den vor lauter Patriotismus fast weinenden Untertanen flogen sie zur
       Arena, wo Craig und eine mutmaßliche Queen-Darstellerin mit
       Union-Jack-Fallschirmen heruntersprangen.
       
       Was Großbritannien an internationaler Bedeutung und politischem Einfluss
       verloren hat, versucht Premierminister David Cameron sich zurückzuerobern.
       Vor einem möglichen EU-Austritt, Wirtschaftsverträgen mit China, Debatten
       über zahlreiche militärische Interventionen, erscheint es fast, als wäre
       das Land aus einem 70-jährigen Dornröschenschlaf erwacht. James Bond hielt
       die Flamme am Brennen.
       
       Hier hat Cameron bestimmt was von Thatcher gelernt: Um beliebt zu sein,
       führt man Krieg. Doch so einfach ist es nicht. Das Land bleibt in vielen
       Köpfen in der Welt eine kleine Insel. Dazu ist Camerons Traum von einer
       zunehmend linken, pazifistischen Labour Party unter Jeremy Corbyn bedroht.
       Auch Großbritanniens Platz am Tisch des UN-Sicherheitsrats wird von
       zunehmender öffentlichen Zustimmung für die Abschaffung des
       Trident-Atomwaffensystems gefährdet.
       
       Am 5. November kommt der neue Bond Film „Spectre“ in die Kinos. Aller
       Wahrscheinlichkeit nach wird dieser Film der kommerziell erfolgreichste des
       Bond-Franchise. Denn die Patrioten brauchen die Bond-Illusion wie noch nie.
       
       3 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicholas Potter
       
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