# taz.de -- Kommentar zum Kopftuchverbot: Austragen und aushalten
> Das Gesetz ermutigt TrägerInnen wichtiger staatlicher Aufgaben, ihre
> Religionszugehörigkeit zu verbergen – hinter einer vermeintlichen
> Neutralität. Das ist falsch.
IMG Bild: Für Lehrerinnen in Berlin tabu: Kopftuch, hier von einem Model für H & M getragen.
Man möge sich vorstellen, „welche Konflikte es geben würde, wenn Schüler
arabischer Herkunft von einem Lehrer mit Kippa unterrichtet würden“, sagt
der SPD-Vorsitzende Jan Stöß in einem Interview zum Neutralitätsgesetz. Das
Gesetz, das unter anderem LehrerInnen, PolizistInnen, RichterInnen das
sichtbare Tragen religiöser Symbole verbietet, sei deshalb „ein wichtiger
Beitrag zum friedlichen Zusammenleben“, so Stöß.
Auch sein Senatskollege Frank Henkel (CDU), der am Dienstag mitteilte, das
Gesetz trotz eines kritischen Urteils des Bundesverfassungsgerichts
beibehalten zu wollen, hält es für einen „Gewinn für das Zusammenleben in
einer vielfältigen Metropole wie Berlin“.
## Lehrer mit Kippa?
Doch ist das so? Ja, es würde in einer Klasse mit muslimischen SchülerInnen
und jüdischer Lehrkraft vermutlich Konflikte geben. Aber wäre es nicht
gerade ein Gewinn für das Zusammenleben in einer vielfältigen Metropole,
diese Konflikte auszuhalten und auszutragen? Genau so würde die Basis für
ein friedliches Zusammenleben geklärt werden – an dem Ort, an dem die
Gesellschaft sie vermitteln will und soll: in der Schule.
Stattdessen ermutigt das Gesetz TrägerInnen wichtiger staatlicher Aufgaben,
ihre Religionszugehörigkeit zu verbergen – hinter einer vermeintlichen
Neutralität, die auch im Staatsdienst ja immer nur Schein – positiv: Ideal
– war und ist. Dabei ließe sich im Ausdiskutieren von Konflikten auch noch
viel besser als an äußeren Merkmalen feststellen, wes Geistes Kind ein
Lehrer, eine Lehrerin tatsächlich ist: welche Werte sie vertritt. Dem aus
dem Weg zu gehen ist in einer vielfältigen Gesellschaft langfristig
schlicht nicht durchhaltbar.
27 Oct 2015
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