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       # taz.de -- Kopftuchverbot in Berlin: Lehrerinnen bleiben oben ohne
       
       > Er habe nicht vor, das Neutralitätsgesetz zu ändern, teilte der Berliner
       > Innensenator mit. Das Kopftuch bleibt Lehrerinnen in der Hauptstadt damit
       > verboten.
       
   IMG Bild: Helm ist okay: Henkel vor Feuerwehrmann
       
       Das Neutralitätsgesetz bleibt. Das ließ der Berliner Innensenator Frank
       Henkel (CDU) am Dienstag auf der Senatspressekonferenz mitteilen, die
       regelmäßig nach der gemeinsamen Wochensitzung aller SenatorInnen
       stattfindet. Seine Verwaltung sei nach „intensiver Prüfung“ zu dem Schluss
       gekommen, dass eine Änderung des Gesetzes „derzeit nicht zwingend
       erforderlich“ sei, heißt es in den wenigen Sätzen des Senators zu dem
       Beschluss. Henkel selbst war auf der Pressekonferenz nicht anwesend.
       
       Das Berliner Neutralitätsgesetz, das 2005 eingeführt wurde, verbietet
       LehrerInnen sowie BeamtInnen, „die im Bereich der Rechtspflege, des
       Justizvollzugs oder der Polizei beschäftigt sind“, das Tragen „sichtbarer
       religiöser oder weltanschaulicher Symbole“ oder Kleidungsstücke wie
       Kopftuch, Kippa oder Kreuz. Die Prüfung durch die Senatsverwaltung für
       Inneres war nötig geworden, nachdem ein Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts Anfang des Jahres ein pauschales Kopftuchverbot
       für Lehrerinnen zur Einschränkung des Grundrechts auf Glaubensfreiheit
       erklärte. Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob durch eine „äußere religiöse
       Bekundung“ eine „Störung des Schulfriedens“ vorliege, urteilte das Gericht.
       
       Das Urteil bezog sich allerdings auf das nordrhein-westfälische
       Schulgesetz, das - anders als das Berliner - die Darstellung „christlicher
       und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ ausgenahm.
       Ein auf das Urteil hin erstelltes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes
       des Berliner Abgeordnetenhauses war im Juli dennoch zu dem Schluss
       gekommen, dass auch das Berliner Gesetz zumindest in Teilen
       verfassungswidrig sei: Auch hier müsse im Einzelfall geprüft werden, ob das
       Tragen eines Kopftuches durch eine Lehrkraft den Schulfrieden bedrohe.
       
       Dass Henkels Gutachter jetzt zu einem anderen Schluss kämen, sei „völlig
       unverständlich“, sagt Nina Mühe vom Berliner „Netzwerk gegen
       Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“: „Für uns ist das Thema damit nicht
       erledigt.“ Das Netzwerk werde „überlegen, was wir jetzt machen können.“
       
       Das dürfte nicht leicht werden: Auch die SPD steht breit hinter dem Gesetz.
       Nach dem Parteivorsitzenden Jan Stöß sprach sich nun auch
       Fraktionsvorsitzender Raed Saleh für dessen Beibehaltung aus. Er hatte das
       kritische Gutachten des Parlaments in Auftrag gegeben - und betont nach wie
       vor, er könne sich in Klassenräumen durchaus „mehr Vielfalt vorstellen“.
       Stöß und Saleh hatten am Wochenende ihre Antworten auf die Fragen
       veröffentlicht, mit der die SPD ihre Mitglieder vor der Berlinwahl 2016 am
       Wahlprogramm beteiligt. Darunter ist eine Frage zum Neutralitätsgesetz.
       
       Der SPD-Vorsitzende war denn auch einer der ersten, die Henkels Mitteilung
       begrüßten: Das Neutralitätsgesetz sei „ein wichtiger Beitrag zum
       friedlichen Zusammenleben“, glaubt Stöß. Deutlicher Widerspruch kommt vom
       „Arbeitskreis muslimischer SozialdemokratInnen“: „Wenn Frauen mit Kopftuch
       in der Schule nur putzen, aber nicht unterrichten dürfen, Männer mit Kippa
       im Gericht den Müll wegräumen, aber nicht Recht sprechen, senden wir damit
       auch eine Aussage“, so Stöß‘ muslimische GenossInnen. Letzter Ausweg bliebe
       nun eine Klage: Das Neutralitätsgesetz müsse geändert werden, wenn „ein
       zuständiges Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes anders
       einschätzt als der Berliner Senat“, teilte Henkels Verwaltung auf
       taz-Anfrage mit.
       
       27 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alke Wierth
       
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