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       # taz.de -- Flüchtlinge in Slowenien: Acht Toiletten für 2.000 Menschen
       
       > An der Grenze zu Kroatien, im Auffanglager Brežice, herrschen teilweise
       > chaotische Zustände. Freiwillige Helfer werden oft schikaniert.
       
   IMG Bild: Flüchtlinge im slowenischen Rigonice auf dem Weg zu einem Bus.
       
       Brežice/Ljubljana taz | Die Lage an der österreichisch-slowenischen Grenze
       bleibt angespannt. Während schon am Donnerstagmorgen über 5.000 Menschen
       nach Slowenien eingereist waren, verläuft die Übergabe an Österreich in
       langsamerem Tempo. In der Zeltstadt in Šentilj warteten über 4.000 Menschen
       unter schwierigen Bedingungen darauf, ihre Weiterreise antreten zu können.
       
       In dieser Situation wird Premierminister Miro Cerar nicht müde zu betonen,
       dass eine Bedingung für auch weiterhin offene Grenzen die Einhaltung der
       Einigung des Brüsseler Sondergipfels vom vergangenen Sonntag sei.
       
       Dass Slowenien bereits Zäune zur Sicherung der Grenze zu Kroatien bestellt
       habe, wird von der Regierungsseite jedoch ausdrücklich dementiert.
       
       Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann schloss am Donnerstag eine
       Schließung der Grenze zu Slowenien aus. Lediglich „technische
       Sicherheitsmaßnahmen“ hätte seine Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im
       Blick gehabt, als sie in den vergangenen Tagen öffentlich über einen Zaun
       nachdachte.
       
       ## Zusammenarbeit funktioniert
       
       Boštjan Šefic, Staatssekretär im slowenischen Innenministerium, erklärte
       derweil, dass die Zusammenarbeit mit Kroatien inzwischen besser
       funktioniere. Kroatische Züge fuhren Mittwoch und Donnerstag direkt ins
       slowenische Dobova. Der Prozess der Erstversorgung und Registrierung der
       Flüchtlinge funktioniere laut Šefic „ausgezeichnet und effektiv“.
       
       Der sich ab der österreich-deutschen Grenze aufbauende Rückstau jedoch
       überfordert auch die slowenischen Behörden an mehreren Orten. So waren die
       Behörden über mindestens 48 Stunden nicht in der Lage, ein Lager im
       südslowenischen Brežice zu schließen. Noch im Laufe des Donnerstags war
       unklar, ob und wann das Lager komplett geräumt werden würde. Die Zustände
       dort waren zwischenzeitlich so katastrophal, dass die Direktorin der NGO
       Mirovni Inštitut, Neža Kogovšek Šalomon, sie als Verletzung der
       Europäischen Menschenrechtskonvention bezeichnete.
       
       In Brežice wurden Neuankömmlinge wiederholt für mehr als 24 Stunden auf
       einer umzäunten Wiese unter freiem Himmel festgehalten. In dem Auffanglager
       sind sowohl die Standards der Versorgung mit Lebensmitteln als auch
       grundlegender persönlicher Hygiene nicht gewährleistet. In dem abgesperrten
       Bereich, der teilweise bis zu 2.000 Menschen beherbergte, stehen lediglich
       acht mobile Toiletten zur Verfügung.
       
       Freiwillige Helfer und NGOs berichten, dass den Flüchtlingen von
       staatlicher Seite keine warmen Mahlzeiten gewährt wurden. Dazu wird
       beklagt, dass in Brežice wie auch in anderen Camps Freiwillige immer wieder
       willkürlich Schikanen ausgesetzt waren und nicht selten daran gehindert
       wurden, die Versorgungslage zu verbessern.
       
       ## Angst vor Panik
       
       Eine Begründung von behördlicher Seite für diese Einschränkungen ist die
       Sorge vor Panik unter den Flüchtlingen, wenn die zusätzlichen Lebensmittel
       nicht für alle reichten. „Besser niemand bekommt etwas zu essen als nur 200
       von 1.000“, scheint das Motto zu sein.
       
       Während im Landesinneren geeignetere Unterkünfte zum Teil über mehrere Tage
       ungenutzt blieben, mussten so noch in der Nacht auf Donnerstag in Brežice
       gut 1.000 Menschen unter Flutlicht ausharren, bewacht von Polizei in
       schwerer Ausrüstung. Mit Helmen, Schilden und Schlagstöcken und zwei
       gepanzerten Fahrzeugen ausgerüstete Soldaten befanden sich ebenfalls vor
       Ort.
       
       Matej Tašner-Vatovec, Abgeordneter der Vereinigten Linken, erklärte dazu
       der taz: „Die Armee sollte dort nicht bewaffnet und mit Panzern sein,
       sondern mit Essen, Decken und Zelten.“
       
       Tašner-Vatovec Partei unterstützt die Initiative für ein Referendum gegen
       die Erweiterung der Kompetenzen der Armee im Zuge der Flüchtlingssituation.
       In der vergangenen Woche hatte das slowenische Parlament mit Ausnahme der
       Vereinigten Linken in einer Nachtsitzung einer Änderung des Armeegesetzes
       zugestimmt, nach der Soldaten polizeiliche und grenzsichernde Aufgaben
       übernehmen dürfen.
       
       ## Radiosender als Initiator
       
       Angestrengt wurde das Referendum gegen dieses Gesetz durch den
       staatskritischen Radiosender Radio Študent, der noch in Jugoslawien das
       einzige Rundfunkmedium außerhalb staatlicher Strukturen war. Matej
       Jankovič, Redakteur des Senders, erklärte zu den Hintergründen der
       Initiative, dass die Politik „nicht in der Lage ist eine öffentliche
       Diskussion zu führen, sondern eigenmächtig in die Trennung der Armee von
       der Polizei eingreift.“
       
       Matjaž Han, Vorsitzender der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion
       verwies dazu in Einklang mit allen Befürwortern des neuen Armeegesetzes auf
       „übermüdete Polizisten an den Grenzen“ von den einige sogar unterernährt
       seien. Letzteres konnte bislang jedoch nicht von unabhängigen Beobachtern
       bestätigt werden.
       
       29 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
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