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       # taz.de -- Überraschendes Studienergebnis: „Das größte Risiko ist die Depression“
       
       > Anwohner leiden, weil sie keine Perspektive haben, sich dem Lärm zu
       > entziehen, sagt Professor und Studienleiter Rainer Guski.
       
   IMG Bild: Nur mit Ohrenschützern zu ertragen, damit es nicht in Depression endet? Bei einer Demonstration gegen Fluglärm in Frankfurt.
       
       taz: Herr Guski, Fluglärm macht den Körper krank, das hat die
       Weltgesundheitsorganisation schon vor Jahren festgestellt. Und jetzt sagen
       Sie nach Auswertung der umfassendsten Studie zu den gesundheitlichen
       Auswirkungen von Verkehrslärm in Deutschland: Die Seele leidet noch viel
       stärker. Wie kommt das? 
       
       Rainer Guski: Dieses Ergebnis hat auch uns überrascht. Als wir begonnen
       haben zu schauen, ob es einen statistisch signifikanten Zusammenhang gibt
       zwischen Verkehrslärm und Depressionen, haben wir nicht geglaubt, dass da
       irgendetwas bei herauskommt. Wir hatten angenommen, dass der Lärm vor allem
       Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck beeinflusst. Wir haben uns
       geirrt. Für den Frankfurter Flughafen können wir gesichert sagen: Das mit
       Abstand größte Krankheitsrisiko, das Menschen haben, die in seiner Nähe
       leben, ist, dass sie wegen der Lärmbelastung depressiv werden.
       
       Wie hoch ist die Gefahr? 
       
       Das Risiko zu erkranken steigt mit zunehmendem Lärmpegel. Bei einem Anstieg
       des Fluglärmpegels um 10 Dezibel steigt das Risiko für eine Depression um 8
       Prozent. Zum Vergleich: Bei den Herzkreislauferkrankungen steigt das Risiko
       pro zehn Dezibel um 2 bis 4 Prozent.
       
       Wie genau wirkt sich der Lärm auf die Depression aus? 
       
       Darüber können wir nur spekulieren. Anhand der anonymisierten Datensätze,
       die wir von den Krankenkassen erhalten haben, konnten wir zwar feststellen,
       dass es einen Zusammenhang gibt, aber keine Aussagen über die
       Wirkmechanismen treffen. Wir haben die Kassen dann gebeten, einen Bogen mit
       weiteren Fragen an die Patienten zu schicken. Leider haben nur 5 Prozent
       geantwortet.
       
       Haben Sie denn einen Verdacht? 
       
       Vorstellbar ist, dass lärmbelastete Menschen auch deswegen an einer
       Depression erkranken, weil sie ihre Lebenssituation als unbefriedigend
       empfinden und zugleich keine Möglichkeit sehen, daran etwas zu ändern. Ihr
       Eindruck ist, dass der Fluglärm stetig zunimmt. Aber sie können sich ihm
       nicht entziehen, weil sie beispielsweise ein Haus gekauft haben und nun
       schlecht umziehen können. Je stärker sie sich belästigt und je hilfloser
       sie sich fühlen, desto höher ist ihr Depressionsrisiko. Zumindest vermuten
       wir das.
       
       Sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen? 
       
       Ja, da gibt es keinen Unterschied. Auch Männer kriegen fluglärmbedingt
       Depressionen.
       
       Welche Konsequenzen fordern Sie? 
       
       Die Frage, wie viele Depressionen wir tolerieren wollen, ist eine
       politische. Angenommen, unsere Politiker wollten die Zahl der Depressionen
       und Lärmbelästigungen im Land senken, dann müssten sie wohl noch einmal
       über die Lärm-Grenzwerte nachdenken.
       
       30 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Haarhoff
       
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