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       # taz.de -- Finale der Rugby-WM: Der schöne Dan trifft aus dem Nichts
       
       > Der Titel für die All Blacks vollendet auch die Karriere der
       > neuseeländischen Ikone Daniel Carter. Die WM war indes ein großer
       > Publikumserfolg.
       
   IMG Bild: Oh, was für ein süßes Pokälchen: Dan Carter (2. von rechts) und die anderen All Blacks.
       
       Als die All Blacks vor vier Jahren im heimischen Eden Park in Auckland
       Rugby-Weltmeister wurden und damit eine 24-jährige Durststrecke beendet
       hatten, erklärte ein sichtlich erschöpfter Kapitän Richie McCaw nach der
       Partie „Wir haben den Affen endlich von der Schulter geschüttelt.“ Nur
       einer konnte seinen persönlichen Fluch damals nicht beenden: Daniel Carter.
       Der 33-Jährige hatte das Finale wegen einer Verletzung verpasst und noch
       vor ein paar Wochen gesagt, dass er sich deshalb nicht als Weltmeister
       fühle.
       
       Doch mit dem 34:17-Sieg der Neuseeländer gegen Australien ist nun auch
       Carters Karriere endgültig vollendet. Er, der bei Racing Paris bald der am
       besten bezahlte Rugby-Spieler der Welt sein wird, drückte dem intensiven
       Finale den Stempel auf. Und zwar nach Dan-Carter-Art: elegant und souverän.
       
       Über 1.500 Punkte hat Carter in seiner Karriere erzielt. Mehr als jeder
       andere Rugby-Spieler vor ihm. Doch das Dropgoal in der 70. Minute im Finale
       von Twickenham wird wohl sein wichtigster Punktgewinn für die All Blacks
       bleiben. Mit seinem Wechsel nach Frankreich endet für Carter auch die
       Karriere im schwarzen Trikot. Profis, die im Ausland spielen, werden
       traditionell nicht mehr in die Nationalmannschaft berufen.
       
       Carters Kick war deshalb so wichtig, weil zu diesem Zeitpunkt die
       eigentlich vom Titelverteidiger dominierte Partie zugunsten der Wallabies
       zu kippen drohte. Nach einer gelben Karte gegen den Neuseeländer Ben Smith
       und der damit verbundenen zehnminütigen Hinausstellung hatten die
       Australier zur Attacke geblasen und waren durch Versuche von David Pocock
       (53. Minute) und Tevita Kuridrani (64. Minute) bis auf 17:21 an die All
       Blacks herangekommen.
       
       Doch dann schien sich Dan Carter an den größten Moment eines seiner größten
       Rivalen zu erinnern. Der Engländer Johnny Wilkinson hatte sich fast eine
       Dekade lang mit seinem neuseeländischen Counterpart ein Duell darum
       geliefert, wer die meisten Punkte aus dem Feld, also per Fuß erzielen kann.
       
       2003 hatte Wilkinson das WM-Finale, ebenfalls gegen die Australier, nur 26
       Sekunden vor Spielende mit einem Dropgoal entschieden. Ein epischer Moment,
       den der „schöne Johnny“ dem „schönen Dan“ immer voraus hatte. Bis jetzt.
       Denn Dan Carters Dropkick aus dem Nichts beendete die Aufholjagd der
       Wallabies, danach war ihr Widerstand gebrochen.
       
       Neuseelands Trainer Steve Hansen wusste nach dem Triumph auch sofort, an
       welche Adresse seine ersten Dankesworte gehen sollten: „Das hätte man sich
       für Dan nicht besser ausdenken können. Im letzten Länderspiel geht er raus
       und zeigt einfach noch mal das gesamte Repertoire seines Könnens. Er ist
       einfach einer der größten Rugby-Spieler aller Zeiten.“
       
       Gewonnen im ausverkauften Twickenham, da waren sich die Experten nach dem
       Finale einig hatte aber nicht nur Dan Carter, sondern das beste Team in der
       Geschichte des Rugby. Lediglich 3 von 54 Länderspielen mussten die All
       Blacks in den vergangenen vier Jahren verloren geben. Nun wartet der große
       Umbruch. Für eine ganze Reihe von Neuseeländern, die das Welt-Rugby in der
       vergangenen Dekade mitgeprägt haben, war das gewonnene Finale der letzte
       Auftritt in Schwarz. Neben den beiden Ikonen Daniel Carter und Kapitän
       Richie McCaw geht auch das Mittelfeld-Duo Conrad Smith und Ma’aNonu in die
       wohlverdiente Nationalmannschaftsrente.
       
       Mit dieser Art Zukunftsgedanken wollte sich Samstagnacht in Twickenham
       allerdings niemand beschäftigen. Und so konnte man unter goldgelbem
       Konfettiregen nicht nur die ausgelassen hüpfenden All Blacks sehen, sondern
       auch sich gegenseitig auf die Schultern klopfende Funktionäre. „Diese WM
       ist nicht nur die größte aller Zeiten, sondern sie wird uns auch als die
       beste in Erinnerung bleiben“, verkündete Bernard Lapasset, der Präsident
       des Weltverbandes IRB, nach dem Finale. 2,4 Millionen Stadionbesucher
       (48.000 durchschnittlich) hätten die Spiele gesehen. Eine halbe Million
       ausländischer Gäste wäre in den vergangenen sechs Wochen nur wegen Rugby
       auf die Insel gereist.
       
       Vor allem aber wird man sich an England 2015 erinnern als das Turnier, das
       „die Welt“ in die Weltmeisterschaft gebracht hat. In Ländern wie
       Deutschland wurden die Spiele erstmals flächendeckend live übertragen und
       erzielten auch noch hohe Einschaltquoten. Der wohl größte Hype wurde in
       Japan ausgelöst. Nach dem Sensationssieg gegen Südafrika in der Vorrunde
       hatte Japans Ayumu Goromaru verkündet, „mit diesem Spiel haben wir die
       Rugbywelt verändert“. Bis zum nächsten Auftritt gegen Samoa war die
       Zuschauerzahl in Japan von ursprünglich 700.000 auf unfassbare 20 Millionen
       hochgeschnellt.
       
       Da trifft es sich gut, dass in Japan in genau vier Jahren die nächste
       Weltmeisterschaft im Union-Rugby stattfindet. In einem der größten
       Sportmärkte weltweit wird sich dann beweisen müssen, wie weit man den Hype
       ums Ei noch aufdrehen kann.
       
       1 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Henkel
       
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