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       # taz.de -- Die Wahrheit: Man muss das aus der Zeit heraus verstehen
       
       > Kinder, wie sie vergeht, die gute alte Zeit - und Moralmaßstäbe sind auch
       > nicht mehr das, was sie nie waren.
       
   IMG Bild: Conan: verkatert, aber voller Power für Sachsen-Anhalt.
       
       Viele Schulen, Straßen und Kasernen tragen den Namen des großen deutschen
       Patrioten Ernst Moritz Arndt. Er mahnte: „Ein gütiger und gerechter
       Herrscher fürchtet das Fremde und Entartete. Da nun aus allen Gegenden
       Europas die bedrängten Juden zu dem Mittelpunkt desselben, zu Deutschland,
       hinströmen und es mit ihrem Schmutz und ihrer Pest zu überschwemmen drohen,
       ergeht das unwiderrufliche Gesetz, dass mit keiner Ausnahme fremde Juden je
       in Deutschland aufgenommen werden dürfen.“
       
       Heute mögen solche Worte ein wenig sauer aufstoßen, aber man muss sie aus
       ihrer Zeit heraus verstehen. 1814 dachte man eben noch, dass es gute und
       schlechte Rassen gäbe und Vermischung von Edlem und Unreinen von übel sei.
       Heute ist die Wissenschaft weiter und vertritt mehrheitlich die These, dass
       man das so nicht sagen kann.
       
       Auch Adolf Hitler war vor allem ein Kind seiner Zeit. Heute ist man sich
       überwiegend einig, dass die Endlösung keine gute Idee gewesen ist, aber
       damals war die Debatte noch im Gange. Hinterher ist man immer schlauer. So
       wie die Scheiterhaufen der frühen Neuzeit brannten, weil die Leute es nun
       einmal nicht besser wussten, so muss man auch die Nazis aus ihrer Zeit
       heraus verstehen.
       
       Damit soll nichts schöngeredet werden, aber man kann auch nicht so tun, als
       ob sich die Moralmaßstäbe nicht geändert hätten. Zwar stand schon damals
       geschrieben, dass man nicht töten und seine Feinde lieben soll, aber wer
       konnte in diesen düsteren Tagen überhaupt lesen?
       
       Heute erscheint es uns glasklar, dass man Frauen nicht verbrennt, nur weil
       sie wirres Zeug faseln. Heute wissen wir, dass nicht alle Juden
       blutsaugende Banker und Freihandels-Schergen sind. Aber konnten das unsere
       Vorfahren ahnen? Es gab ja noch nicht mal das Fernsehen! Es gab den Canon
       Episcopi (906 n. Chr.), der den Glauben an Hexerei als Aberglaube abtat,
       und es gab den Hexenhammer (1486 n. Chr.), der den Grundstein für
       europaweite Verfolgungen legte. Später gab es noch „Mein Kampf“ und
       Schriften von Ernst Moritz Arndt. Aber man muss das alles aus seiner Zeit
       heraus verstehen.
       
       Auch heute marschieren manche durch deutsche Städte und rufen „Juden ins
       Gas“. So sehr das in aller Schärfe zu verurteilen ist – man muss es aus der
       Kultur heraus verstehen. Oft sind es ja Muslime, die sich da Luft machen,
       also Vertreter des unaufgeklärten Mittelalters. Woher sollen diese
       Gestrigen, die gemäß Sarrazin-Statistiken einen rassisch bedingt niedrigen
       IQ haben, wissen, dass andere Leute auch gern leben wollen? Oder dass die
       Protokolle der Weisen von Zion eine Fälschung sind? Obwohl – da muss man
       auch mal ein bisschen skeptisch gegenüber dem eigenen vermeintlichen Wissen
       sein. Denn wer weiß, wer weiß?
       
       So viel zumindest ist gewiss: Was immer wir heute für mörderische Irrtümer
       und Vorurteile ganz ohne böse Absicht kultivieren mögen – die Nachwelt wird
       wissen, wie sie es zu nehmen hat. Sie wird uns entlasten. Sie wird es
       verstehen. Aus der Zeit heraus nämlich.
       
       3 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anselm Neft
       
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