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       # taz.de -- Gabriel wirbt für TTIP: Ist doch alles prima!
       
       > Wirtschaftsminister Gabriel lässt bundesweit Werbung für das
       > Freihandelsabkommen TTIP schalten. Darin behauptet er Dinge, die nicht
       > stimmen.
       
   IMG Bild: TTIP wäre das bisher größte Freihandelsabkommen weltweit
       
       Berlin taz | „Liebe Leserinnen und Leser“, begrüßte Sigmar Gabriel auf
       ganzseitigen Anzeigen in zahlreichen Zeitungen am Wochenende die Leser,
       auch in der taz. Dann belobigte der Wirtschaftsminister umfassend die
       Vorteile des Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA – doch
       mindestens eine seiner zentralen Aussagen hält der aktuellen Faktenlage
       kaum stand.
       
       Es geht um die bei TTIP umstrittenen [1][privaten Schiedsgerichte]. Dort
       können Investoren Staaten verklagen, oft geht es gegen Umwelt- oder
       Gesundheitsstandards. Das könnte sich durch TTIP häufen.
       
       Auch auf Gabriels Initiative hin hat die EU-Kommission deshalb einen
       Vorschlag erarbeitet, der private Schiedsgerichte verhindern soll, „in
       denen Lobbyisten demokratisch gewählte Regierungen oder Parlamente unter
       Druck setzen können“, wie es in den Anzeigen hieß. Die EU schlage nun
       [2][ordentliche Handelsgerichtshöfe] vor, und zwar „mit Berufsrichtern“.
       
       Allerdings liegt Gabriel damit falsch. Der Vorschlag der EU-Kommission
       sieht keine Berufsrichter vor. Möglich ist auch die Ernennung von „Juristen
       mit anerkannter Kompetenz“, wie es in dem Verhandlungsvorschlag der
       EU-Kommission an die USA heißt. Die Linkspartei treibt das auf die Palme:
       „Die bisher im Schiedsrichter-Geschäft tätigen privaten Anwälte müssen auch
       zukünftig nicht um ihr reichliches Auskommen fürchten“, sagt Klaus Ernst,
       Vize-Fraktionschef der Linken.
       
       ## Umweg über Ceta
       
       Gabriel verkaufe „die Bevölkerung für dumm, indem er allein von
       ‚Berufsrichtern‘ spricht“, schimpft er. In einer kleinen Anfrage seiner
       Fraktion an die Bundesregierung sieht diese nämlich keine Notwendigkeit
       einer Änderung des Vorschlags der Kommission: Die Verhandlungsposition
       greife die deutschen Vorstellungen vom Rechtsschutz durch staatliche
       Gerichte weitgehend auf, heißt es in der Antwort, die der taz vorliegt.
       
       Auch eine Gruppe von TTIP-kritischen Organisationen hat den
       Kommissionsvorschlag unter die Lupe genommen. Ihr Schluss: Zentrale
       Probleme privater Schiedsgerichte sind darin nicht ausgeräumt.
       Beispielsweise soll demnächst das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU
       und Kanada verabschiedet werden. Das aber sieht weiter private
       Schiedsgerichte vor.
       
       US-Unternehmen könnten also mit ihren kanadischen Konzerntöchtern
       EU-Staaten nach den Regeln komplett privater Schiedsgerichte verklagen,
       selbst wenn TTIP anderes vorsehen sollte: Das Papier der Kommission zu TTIP
       sieht immerhin eine Berufungsinstanz vor. Zudem dürfen die Richter nicht
       mehr, wie bisher, von den Konfliktparteien berufen werden.
       
       Darauf macht auch das Bundeswirtschaftsministerium auf taz-Anfrage
       aufmerksam. „Der Vorschlag sorgt dafür, dass private Investoren notwendige
       parlamentarische Entscheidungen im Allgemeinwohlinteresse nicht über
       Sonderrechte aushebeln können“, schreibt das Ministerium. „Die Ernennung
       von Anwälten zu Richtern ist zwar nicht ausgeschlossen“, heißt es.
       Allerdings würden die Richter öffentlich bestellt – und die
       Konfliktparteien selbst dürften an der Entscheidung nicht mehr mitwirken.
       
       14 Oct 2015
       
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