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       # taz.de -- Marine Le Pen und Anstiftung zum Hass: Riss in der bürgerlichen Fassade
       
       > Anstachelung zu Diskriminierung, Hass und Gewalt: Ein Prozess in Lyon
       > stört die Selbstinszenierung der Chefin des Front National.
       
   IMG Bild: Die Chefin des FN auf einer Wahlkampfveranstaltung Anfang Oktober
       
       Lyon dpa | „Verteufelt“ sieht sie ihre Partei. Deswegen bemüht sich Marine
       Le Pen, das Erscheinungsbild der Front National (FN) in Frankreich zu
       „entdämonisieren“. So nennt es die 47-Jährige, wenn sie vom Umgang ihr
       missliebiger Medien mit den Rechtsextremen spricht. Der jüngste Riss in der
       bürgerlichen Fassade geht auf ihre Kappe: In Lyon muss sich Le Pen wegen
       Anstiftung zu Hass verantworten.
       
       Der Auslöser liegt fünf Jahre zurück. Während einer öffentlichen
       Parteiveranstaltung verglich die Politikerin im Dezember 2010 eine Szene
       von Muslimen, die auf der Straße beteten, mit der Situation im von Nazis
       besetzten Paris während des Zweiten Weltkrieges.
       
       Der Empörung von politischen Gegnern und Verbänden folgten Ermittlungen und
       schließlich die Aufhebung der Immunität der EU-Parlamentarierin. Im Fall
       einer Verurteilung wegen Anstachelung zu „Diskriminierung oder Hass oder
       Gewalt“ gegen Menschen wegen Herkunft oder Zugehörigkeit „zu einer Ethnie,
       Nation, Rasse oder Religion“ drohen ihr bis zu einem Jahr Haft und 45.000
       Euro Geldstrafe.
       
       Der Prozess passt nicht ins Öffentlichkeitskonzept der resoluten
       Politikerin. Seit Übernahme der Parteiführung 2011 von ihrem Vater
       Jean-Marie versucht sie, den Rechtsextremen eine gemäßigte Fassade zu
       verpassen.
       
       ## Wie der Vater...
       
       Für juristische Auseinandersetzungen wie jetzt in Lyon war bisher
       Parteigründer Jean-Marie Le Pen bekannt. Die Vorstrafen des 87-Jährige
       reichen von Anstachelung zum Rassenhass bis zur Verharmlosung von
       Nazi-Verbrechen.
       
       Solche – über Jahre tolerierten – Ausfälle des Vaters wurden Partei und
       Tochter schließlich zu viel. Allerdings wurde die FN-Spitze um Marine Le
       Pen auf dem Weg zum inzwischen vollzogenen Parteiausschluss mehrfach von
       französischen Gerichten gestoppt.
       
       Auch mit anderen juristischen Entscheidungen hat Tochter Le Pen zuletzt
       keine guten Erfahrungen gesammelt. So darf sie im Politstreit weiter als
       „Faschistin“ bezeichnet werden. Zweimal verlor sie deswegen gegen den
       Ex-Chef der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon.
       
       Im Diskurs hält sich Le Pen nicht immer mit Begründungen auf. Angesprochen
       auf Belege für ihre These, Flüchtlinge kämen über Deutschland nach
       Frankreich, entgegnete sie im Gespräch mit Journalisten: „Ich habe eine
       Überzeugung, ich mache eine politische Analyse.“
       
       ## Enttäuschende Wahlergebnisse
       
       Auch an ihrem Freund-Feind-Bild rüttelt sie nicht. Bis heute benutzt Le Pen
       das zusammengesetzte Kürzel UMPS, um die FN als einzigen Gegner von Nicolas
       Sarkozys konservativen Republikanern (der früheren UMP) und François
       Hollandes regierenden Sozialisten (PS) zu positionieren.
       
       In diesem „bipolaren Frankreich“ (Le Pen) hat die Partei wegen des
       französischen Mehrheitswahlrechts meist nur im ersten Wahlgang gute
       Ergebnisse. Zuletzt verliefen die Entscheidungen in den Départements
       enttäuschend für die Front National. Für Dezember führt die Partei bei
       Umfragen in zwei der 13 neugeformten Regionen, gehofft wird in der FN auf
       vier Erfolge.
       
       Angesichts der Anti-Europa-Politik der Front National warnte Präsident
       Hollande im Sender RTL bereits vor Reaktionen im Ausland bei Erfolgen der
       Rechtsextremen: „Das könnte wirtschaftliche Folgen haben.“
       
       20 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gerd Roth
       
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