# taz.de -- Ein neuer Job für Ruprecht Polenz: Reisemuffel und Brückenbauer
> Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen in Namibia verläuft
> schleppend. Ein Außenpolitik-Veteran übernimmt nun die Verhandlungen.
IMG Bild: Stammesältere der Herero gedenken am 4. Oktober dem Völkermord durch die Deutschen. Mit ihnen reden will die Bundesregierung nicht.
Berlin taz | Als sich der Abgeordnete Ruprecht Polenz vor zwei Jahren in
den Ruhestand verabschiedete, gestand er in einem Abschiedsinterview eine
Eigenschaft, die nicht zu einem Außenpolitiker passt: Er möge keine
Langstreckenflüge und freue sich darauf, künftig am Boden zu bleiben.
Falsch gedacht. Von seinem Wohnort Münster braucht Polenz mindestens
dreizehn Stunden nach Windhoek. Und dorthin, in die Hauptstadt Namibias,
wird der CDU-Politiker künftig häufig fliegen: Am Mittwoch ernannte ihn
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Verhandlungsführer für die
Gespräche über die deutschen Kolonialverbrechen.
Ab 1904 hatten deutsche Truppen in der damaligen Kolonie Zehntausende
Angehörige der Volksgruppen der Herero und Nama getötet. „Innerhalb der
deutschen Grenze wird jeder Herero erschossen“, hieß es im Befehl an die
Soldaten.
Mit der Aufarbeitung dieses Verbrechens tut sich Deutschland schwer: Erst
im Juli erkannte das Auswärtige Amt die Tat als Völkermord an. Forderungen
von Nachkommen der Opfer hat die Bundesrepublik bis heute nicht erfüllt.
Deren Verbände wollen unter anderem, dass die Bundesregierung offiziell um
Entschuldigung bittet.
## Es wird zu wenig geredet
Direkte Gespräche darüber fanden bisher aber nicht statt. Das Auswärtige
Amt will nämlich nicht mit einzelnen Volksgruppen verhandeln, sondern
lediglich mit der namibischen Regierung. Und selbst diese Gespräche kamen
in den vergangenen Monaten offenbar kaum voran. Deshalb hat Steinmeier den
69-jährigen Polenz nun also aus dem Ruhestand geholt. Sein offizieller
Auftrag: „Die Gespräche zu intensivieren und zu formalisieren“.
Dabei ist der Jurist, der knapp zwanzig Jahre im Auswärtigen Ausschuss des
Bundestags saß, bisher nicht als Namibia-Experte aufgefallen. Höchstens
einmal, in den 1980er Jahren, als er noch Stadtrat in Münster war. Als
Aktivisten dort mit einer Gedenktafel an den Völkermord erinnern wollten,
sprach sich Polenz dagegen aus. So steht es zumindest in einer
wissenschaftlichen Abhandlung über die deutsch-namibischen Beziehungen.
Seit dieser Aussage sind aber drei Jahrzehnte vergangen, in denen sich
Polenz einen Ruf als Brückenbauer erarbeitete. Entgegen der Parteilinie
warb er für einen EU-Beitritt der Türkei. Er setzte sich für den
christlich-muslimischen Dialog ein. Und kurz nachdem er im Jahr 2000
CDU-Generalsekretär wurde, legte er das Amt wieder nieder. Er hatte keine
Lust auf Attacken gegen politische Gegner.
Für einen Generalsekretär ist das keine gute Eigenschaft. Für einen
Verhandlungsführer schon.
5 Nov 2015
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DIR Tobias Schulze
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