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       # taz.de -- Vor dem G-20-Gipfel in der Türkei: Schwächelnde Schwellenländer
       
       > Die größten Industriestaaten der Welt treffen sich im türkischen Antalya.
       > Inhaltlich wird es vor allem um die Probleme der Schwellenländer gehen.
       
   IMG Bild: Um die Ecke findet der G-20-Gipfel statt: türkische Riviera bei Belek.
       
       Istanbul taz | Inmitten des türkischen Golferparadieses Belek, in einer
       künstlich bewässerten immergrünen Parklandschaft, beginnt an diesem Sonntag
       der jährliche Weltwirtschaftsgipfel der sogenannten G-20-Staaten. Die
       Staats-und Regierungschefs der 19 größten Industriestaaten plus der EU
       kommen seit der Weltwirtschaftskrise 2008 regelmäßig einmal im Jahr
       zusammen, um sich über die Stabilisierung der Weltwirtschaft und aktuelle
       Bedrohungen zu verständigen.
       
       Anders als beim G-7-Gipfel in Deutschland im Juni dieses Jahres wird am
       Sonntag auch der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische
       Führer Xi Jinping in der Türkei erwartet, sodass praktisch der gesamte
       UN-Sicherheitsrat versammelt ist. Inhaltlich wird es vor allem um die
       Probleme der Schwellenländer gehen. Nachdem zuletzt die Eurokrise die
       Wirtschaftsgipfel beherrscht hatte, droht der Kollaps nun eher durch die
       Schwierigkeiten in China, Brasilien, Südafrika und der Türkei.
       
       Die Erfolgsgeschichte der Schwellenländer ist vorbei. Der abgestürzte
       Ölpreis, die kommenden Zinserhöhungen der US-Notenbank und interne Probleme
       in vielen dieser ehemals rapide wachsenden Volkswirtschaften machen sie zu
       Risikoländern für Investoren und die europäische und amerikanische
       Exportwirtschaft. Die Folge sind Jobverluste und eine Zunahme der Armut in
       vielen der beim Gipfel vertretenen Länder.
       
       Bestes Beispiel ist das Gastgeberland Türkei. Das Wachstum ist seit 2013
       massiv eingebrochen, das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen von
       12.000 auf 8.000 US-Dollar gefallen, und auch die Arbeitslosigkeit nimmt
       wieder stark zu. Wie die G-20-Staaten auf diese Entwicklung reagieren
       wollen, ist völlig unklar; offiziell sollen Beschlüsse zur
       Finanzmarktregulierung und gegen die weltweite Steuerflucht verabschiedet
       werden. Außerdem soll es eine Gesprächsrunde zur Energiepolitik geben und
       eine Vorbereitungsrunde auf den Klimagipfel in Paris Ende des Jahres.
       
       ## Hochsicherheitsorgie in Antalya
       
       Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dessen islamische
       Partei AKP gerade mit einem haushohen Wahlsieg ihre Macht für die nächsten
       Jahre gesichert hat, wird der Gipfel aber auch die Gelegenheit sein, sich
       als unverzichtbarer Partner im Bemühen um eine Ende des Krieges im
       benachbarten Syrien und bei der Bewältigung der damit verbundenen
       Fluchtbewegung nach Europa zu inszenieren. Zum Abendessen am Sonntag hat
       Erdoğan diese Themen auf die Tagesordnung setzen lassen.
       
       Angesichts der geografischen Nähe von Syrien, des IS-Terrors und des Kriegs
       gegen die kurdischen PKK-Guerilla wird das Treffen vor allem aber eine
       Hochsicherheitsorgie werden. Der Flughafen von Antalya – Belek ist ein
       Vorort der türkischen Tourismusmetropole – wird teilweise für den
       Flugverkehr gesperrt, die Route nach Belek mit Tausenden Polizisten und
       Militärs gesichert und das Tagungsgelände so weiträumig abgesperrt, dass
       manche Anwohner entweder gar nicht mehr zu ihren Häusern kommen oder sie am
       besten für die Dauer des Treffens verlassen.
       
       Die 30.000 Demonstranten, die in Antalya aus aller Welt erwartet werden,
       bekommen vom Gipfel nichts zu sehen. Protestiert werden darf nur in
       bestimmten Zonen, für vorübergehende Inhaftierungen wurden bereits
       Turnhallen vorbereitet. Der Vorsitzende der linken Gewerkschaftsföderation
       DISK, Kani Beko, sagte am Donnerstag, eine solche Tyrannei, wie sie derzeit
       in Antalya gegenüber der Zivilbevölkerung stattfinden würde, hätte die
       Stadt noch nie gesehen.
       
       14 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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