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       # taz.de -- Nach den Anschlägen in Paris: Das traurige Schicksal der Spiele
       
       > Die Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich mit insgesamt 51
       > Spielen könnte zum Sicherheitsspektakel werden.
       
   IMG Bild: Die französische Nationalflagge am Boden des Stade de France
       
       PARIS taz | Der kleine Renault, in dem zwei Verkehrspolizisten sitzen und
       die vorbeifahrenden Fahrzeuge beobachten, wirkt arg verloren am Rande des
       riesigen Kreisverkehrs über der Stadtautobahn an der Porte Maillot. So
       verloren wie die wenigen Fußgänger, die an diesem bedrückenden Tag nach der
       Terrornacht hier am Rande von Paris unterwegs sind. Eine Frau versucht,
       ihre zwei Kinder auf einem kleinen Spielplatz für den anstehenden
       Mittagsschlaf müde zu bekommen. Ein paar ältere Männer schieben ihre müden
       Körper über die riesige Kreuzung, über die in diesen Tagen der legendäre
       König Arthur thront.
       
       Ein monumentales Singspiel zur Keltensaga wird auf der Wand des
       Kongresspalastes beworben. Es ist niemand unterwegs, der einen Blick darauf
       werfen könnte. Wenn am 12. Dezember in dieser futuristischen Halle die
       Gruppenauslosung für die Europameisterschaft 2016 Jahr stattfindet, wird
       gewiss mehr los sein an dieser Kreuzung. Der Palast wird einer Festung
       gleichen und es wird nicht viele Gebäude auf dieser Welt geben, die besser
       bewacht sein werden an diesem Tag, an denen Uefa-Generalsekretär Gianni
       Infantino die bunten Loskugeln in den Lostöpfen durchrühren wird. Der Krieg
       hat das größte kontinentale Sportfest erreicht.
       
       Jacques Lambert, der Chef des Organisationskomitees (OK) der
       Europameisterschaft, die vom 10. Juni bis zum 10. Juli 2016 in zehn
       französischen Städten ausgespielt wird, stellte nach der Terrornacht von
       Paris noch einmal klar, dass das Thema Sicherheit von Anfang an oben auf
       der Agenda der Organisatoren gestanden habe. Am Samstag sagte er: „Der
       Terror ist kein theoretisches Risiko mehr, sondern ein mögliches. Die
       Grenze zur Handlung ist überschritten worden.“
       
       So ähnlich hat das der Mann, der als Macher der heiteren WM 1998 gilt,
       schon einmal gesagt. Im Januar – nach den Anschlägen auf das Satiremagazin
       Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt in Paris. Das OK arbeitet eng
       mit den Sicherheitsbehörden zusammen, sucht auch die Zusammenarbeit mit den
       Behörden aus den Ländern, deren Nationalteams sich für die EM qualifiziert
       haben.
       
       Wie das Hochsicherheitsturnier aussehen wird, das da geplant wird, lässt
       sich anhand des Freundschaftsspiels zwischen Frankreich und Deutschland im
       Stade de France am Freitagabend nicht ablesen. Dass zwei mit Sprenggürteln
       ausgestattete Selbstmordattentäter von der Security am Betreten des
       Stadions gehindert wurden, hat gewiss Schlimmeres verhindert. Dass es bei
       der WM mehr Sicherheitsmaßnahmen geben wird als nur Leibesvisitationen, das
       hat auch der Präsident des französischen
       FußballverbandsNoëldeGraëtunmissverständlich klargemacht. Er wirbt um
       Vertrauen für die staatlichen Behörden. „Sie sind sehr kompetent“, sagt er.
       
       „Der Terror ist kein rhetorisches Risiko mehr“ 
       
       Viele PariserInnen, die am Tag zu den Orten der Anschläge gepilgert sind,
       um dort der Toten zu Gedenken, Blumen niederzulegen oder ein Teelicht
       anzuzünden, haben dieses Vertrauen längst verloren. Sie sind ratlos. Eine
       junge Frau, die sich in der Metro schminkt, bevor sie sich am Samstagabend
       zur kleinen Trauergemeinde am Place de la République aufmacht, erzählt,
       dass sie sich alleingelassen fühlt. Sie war im Januar auch hier, um der
       Welt zu zeigen, dass sich die Nation nicht auseinanderdividieren lasse.
       „Wir waren sicher, dass das eine Wirkung hat“, sagt sie und wendet sich ab.
       Es ist nicht leicht, den lauernden Reportern zu entkommen, die um die
       improvisierten Orte der Trauer herumschleichen. „Die Sorgen vor der EM
       waren sowieso schon groß, jetzt sind sie noch größer“, sagt
       Verbandspräsident Noël de Graët.
       
       So schnell wird wohl kein Nationalspieler mehr ein albernes Selfie für
       seine Follower posten, nachdem er gerade wegen einer Bombendrohung das
       Hotel verlassen musste. Ein paar Stunden vor dem Anpfiff dieses
       denkwürdigen Fußballspiels am Freitag war das noch witzig. Nach der Nacht,
       die der Tross der deutschen Nationalmannschaft in den Katakomben des
       Stadions verbracht hat, wird niemand mehr den Ernst der Lage verkennen. Es
       wird auch niemand mehr lachen über die dusselige französische Polizei, so
       wie das noch im Sommer vor der letzten Etappe der Tour de France der Fall
       war. Da hatte ein Autofahrer die Sicherheitsabsperrungen am Place de la
       Concorde durchbrochen und war auch durch die scharfen Schüsse der Polizei
       erst mal nicht aufzuhalten. Der sei nur betrunken gewesen, hieß es schnell
       und sowieso kein Fall für die Antiterroreinheiten, sondern eher einer für
       die Verkehrspolizei.
       
       Nicht wirklich ernsthaft wurde damals die Frage erörtert, was denn gewesen
       wäre, wenn … Dieses Wenn gilt es zu verhindern beim EM-Turnier. Wie so
       etwas gehen kann, das war während der Olympischen Winterspiele in Sotschi
       2014 zu beobachten. Strenge Grenzkontrollen. Autos, die nicht in der Region
       zugelassen waren, durften nicht in die Stadt fahren. Getarnte
       Militärstellungen im Umland, Überwachungsdrohnen überall und
       Sicherheitskontrollen wie an Flughäfen an jeder S-Bahn-Station. „So sind
       sie, die Russen!“, hieß es damals.
       
       Die Franzosen werden es nun nicht viel anders machen können. So ist er
       eben, der Sport in den Zeiten des Kriegs.
       
       15 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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