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       # taz.de -- Asylvorstoß des Innenministers: Querschläger de Maizière
       
       > Innenminister Thomas de Maizière steht nach seinem Syrien-Vorstoß heftig
       > in der Kritik – mal wieder. Für die Verschärfung aber kämpft er weiter.
       
   IMG Bild: Sorgte für Irritation: Thomas de Maizière
       
       BERLIN taz | Es gab Zeiten, da galt Thomas de Maizière mal als der stets
       besonnene, staatstragend operierende Part der Bundesregierung. Ein treuer
       Diener der Kanzlerin, mehr Verwalter als Vordenker. Diese Zeiten sind
       vorbei.
       
       In der Flüchtlingsdebatte zeigt sich ein anderer Thomas de Maizière. Mal
       poltert er, Seenotrettung spiele Schlepperbanden in die Hände. Mal ärgert
       ihn, dass sich Flüchtlinge über Unterkünfte beschweren. Mal behauptet er,
       30 Prozent der syrischen Flüchtlinge seien gar keine, sondern nur
       vorgetäuschte – obwohl sich dies nirgends untermauern lässt.
       
       Nun folgt die neuste Volte. Bereits am Dienstag hatte de Maizière das
       Bundesamt für Flüchtlinge angewiesen, syrische Asylsuchende nicht mehr nach
       der Genfer Konvention, sondern nur noch als subsidiär Schutzberechtigte zu
       behandeln. Das heißt: nur noch ein Aufenthaltsrecht für ein Jahr statt
       drei, kein Recht auf Familiennachzug mehr. Ein massiver Einschnitt. Der
       Bundesregierung teilte de Maizière die Weisung freilich nicht mit.
       
       Die indes pfiff ihren Innenminister eiligst zurück, [1][als der Vorstoß am
       Freitag bekannt wurde]. De Maizière selbst musste vor die Kameras treten
       und sich korrigieren: Es gebe noch „Gesprächsbedarf“, alles bleibe wie
       bisher. Peinlicher geht es kaum. Was ist nur mit de Maizière los?
       
       ## Ein peinliches Bild
       
       Dass der Minister bewusst von der Union vorgeschickt wurde, um, kurz nach
       dem jüngsten Flüchtlingsgipfel, den nächsten Pflock einzuschlagen, scheint
       bisher nicht so – zumindest nicht so schnell. Sonst hätte nicht
       Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) einschreiten und öffentlich einräumen
       müssen, dass er, der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, über den
       Syrien-Vorstoß nicht informiert war. Auch das war: ein peinliches Bild.
       Diesmal für die Zusammenarbeit der Regierung.
       
       De Maiziére indes beharrt auf seiner Position. „Ich halte es für richtig,
       auch bei Syrern wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Schutzstatus
       angemessen ist, statt pauschal zu verfahren“, sagte er am Sonntag n-tv.
       Dies galt so bis zum Herbst 2014. Damals verfügte das Innenministerium,
       dass Syrer nur noch schriftlich einen Fragebogen beantworten müssen – und
       in der Regel den Status nach Genfer Konvention erhielten. Nun aber sagt de
       Maizière: „Die Zahl der Flüchtlinge ist so hoch, wir können nicht noch ein
       Vielfaches an Familienmitgliedern aufnehmen.“
       
       Erst am Donnerstag hatte sich die Bundesregierung auf einen Asylkompromiss
       geeinigt. Dazu gehörte auch, den Familiennachzug für subsidiär
       Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen. Dies, so hieß es aber,
       betreffe nur rund 1.700 Personen – nicht aber die derzeit größte
       Flüchtlingsgruppe der Syrer, von denen allein 103.000 dieses Jahr in
       Deutschland Asyl beantragten. Rein faktisch findet für sie ein
       Familiennachzug aber bereits heute nicht statt, weil die Behörden schon mit
       der Bearbeitung ihrer Asylanträge nicht hinterherkommen.
       
       De Maizière könnte sich mit seinem hastigen Vorstoß nun einen Bärendienst
       erwiesen haben. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel bezeichnete diesen
       als massive Gefährdung des jüngsten Asylkompromisses. Und auch wenn Gabriel
       nach der Kehrtwende von de Maizière die Sache als erledigt bezeichnet, ist
       nun das klare Dementi von Altmaier in der Welt.
       
       „Die Verfahren für die Syrer werden weiterhin so behandelt wie bisher“,
       sagte dieser am Sonntag. Mehr noch: „Niemand in der Bundesregierung denkt
       daran, den Anspruch auf Familiennachzug für Flüchtlinge nach Genfer
       Konvention in Frage zu stellen.“ Daran muss sich Altmaier nun messen
       lassen.
       
       ## Bis zum nächsten Mal
       
       Nur: Innenpolitiker der Union stellten sich am Wochenende hinter de
       Maizière. Dieser liege mit seinem Vorschlägen „vollkommen richtig“,
       erklärten Stephan Mayer (CSU) und Wolfgang Bosbach (CDU). Und auch
       CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte den Vorstoß „die klare Position
       der CSU“.
       
       Aus der Opposition und SPD kam dafür heftige Kritik. Der SPD-Vize Ralf
       Stegner wetterte: „Jetzt reicht es wirklich.“ Fraktionschef Thomas
       Oppermann forderte „mehr Ordnung“ in der Regierung: „Das Durcheinander muss
       aufhören.“ Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der Regierung
       „Vollchaos“ vor. Die Linksfraktion forderte die Entlassung de Maizières.
       
       Die Forderung kennt der Innenminister inzwischen zur Genüge. Sie ereilte
       ihn bereits in der BND-Affäre, beim G36-Skandal und nicht zum ersten Mal in
       der Flüchtlingsdebatte. Bisher allerdings hielt die Kanzlerin an de
       Maizière fest. Und auch diesmal mühte sich Altmaier um Schadensbegrenzung:
       Die „Irritation“ sei nun „beigelegt“.
       
       Bis zum nächsten Mal.
       
       8 Nov 2015
       
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