# taz.de -- Parlamentswahl in Kroatien: Most oder Selters?
> Die konservative HDZ überholt die regierenden Sozialdemokraten. Um zu
> regieren, wären beide aber auf die überraschend starke Most-Partei
> angewiesen.
IMG Bild: Sehen so Sieger aus? Tomislav Karamarko macht kein glückliches Gesicht beim Anstoßen.
Zagreb dpa | Die Parlamentswahl in Kroatien hat dem jüngsten EU-Mitglied
eine politische Patt-Situation beschert. Stärkste politische Kraft wurde
die konservative Oppositionspartei HDZ mit 59 Mandaten vor den regierenden
Sozialdemokraten (SDP) mit 56 Mandaten, wie die Wahlkommission nach
Auszählung fast aller Stimmen am Montag in Zagreb mitteilte.
Im neuen Parlament mit 151 Abgeordneten – einschließlich der von vornherein
feststehenden Minderheitenvertreter – ist die absolute Mehrheit von 76
Abgeordneten damit nur mit dem Drittplatzierten Most (“Die Brücke“) zu
erreichen. Die neue Partei sorgte für eine Überraschung und errang auf
Anhieb mit 19 Mandaten den dritten Platz. Damit wird sie für die neue
Regierung zum Königsmacher. Die bislang regierenden Sozialdemokraten
müssten sich für eine Regierungsübernahme nicht nur die Unterstützung von
Most, sondern auch von anderen Abgeordneten, beispielsweise von
Minderheiten, sichern.
Führende Vertreter der neuen politischen Kraft lehnten jedoch noch in der
Wahlnacht eine Koalition mit einer der beiden „Großparteien“ ab, die sie
als reformunfähig bezeichneten. Möglich sei allenfalls eine von Most
tolerierte Minderheitsregierung, die sich ernsthaft zur Durchsetzung vieler
der immer wieder verschobenen Reformen bereiterkläre.
Kroatien mit seinen 4,4 Millionen Einwohnern gehört zu den ärmsten
EU-Mitgliedern und kämpft mit einer Arbeitslosigkeit von etwa 16 Prozent.
Allerdings standen die Zeichen zuletzt auf Wachstum. Kroatien ist zugleich
eines der wichtigsten Transitländer für Flüchtlinge auf der so genannten
Balkanroute. Im Wahlkampf hatte die HDZ für schärfere Grenzkontrollen
geworben. Seit Mitte September sind mehr als 330.000 Menschen aus Syrien,
dem Irak und anderen Ländern durch das Land geströmt, die wenigsten wollen
bleiben.
## Regierungsanspruch von zwei Seiten
Der HDZ-Vorsitzende Tomislav Karamarko sagte in der Nacht, der Wahlsieg
versetze seine Partei in die Lage, das Land künftig zu führen. Der
bisherige Ministerpräsident Zoran Milanovic erklärte indes, seine
Sozialdemokraten hätten wegen des jüngsten Wirtschaftsaufschwungs eine
weitere Amtszeit verdient. Reformwillige Parteien wie die Most sollten sich
mit den Sozialdemokraten zusammentun und die künftige Regierung bilden.
Most-Chef Bozo Petrov sagte, seine Partei werde eine künftige Regierung nur
dann unterstützen, wenn sie Reformen bei der Justiz und der öffentlichen
Verwaltung vorantreibe und sich für bessere Geschäftsbedingungen im Land
einsetze. „Für jede Reform werden wir eine Frist setzen und wenn diese
nicht eingehalten wird, werden wir ein Misstrauensantrag stellen. Wir
wissen, dass wir nach dem gegenwärtigen Stand der Auszählung eine Kontrolle
über die Mehrheit im Parlament haben werden.“ Letztlich wären Neuwahlen für
das Land deutlich günstiger als eine unfähige Regierung, sagte Petrov.
Beobachter erwarten länger andauernde Koalitionsverhandlungen.
9 Nov 2015
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