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       # taz.de -- Regierung in Polen: Sehr „qualifiziertes“ Personal
       
       > Die künftige Ministerpräsidentin Beata Szydlo stellt ihre Mannschaft vor.
       > Einige Kabinettsmitglieder in spe sind jedoch ziemlich umstritten.
       
   IMG Bild: PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und die designierte Ministerpräsidentin Beata Szydlo stellen die neue Regierung vor.
       
       Warschau taz | Antoni Macierewicz, der künftige Verteidigungsminister
       Polens, ist seit Jahren ein Liebling der Karikaturisten: Mal erläutert er
       als verrückter Professor seine neueste Verschwörungstheorie zur
       Flugzeugkatastrophe von Smolensk im Jahre 2010, mal schwirrt er als
       desorientierter Kosmonaut durch das Sonnensystem.
       
       Macierewicz ist überzeugt, dass 2010 die Russen einen Anschlag auf Polens
       damaligen Präsidenten Lech Kaczynski verübt und damit die „erste Salve
       gegen den Weltfrieden in Europa“ abgeschossen hätten. Jetzt wird
       Macierewicz eine ganze Armee zur Verfügung haben, um Polen gegen alle
       Feinde, Spione, Saboteure und Verschwörer zu verteidigen.
       
       Noch im Wahlkampf hatte Beata Szydlo, die stellvertretende Vorsitzende der
       rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine Pressekonferenz
       einberufen, um Spekulationen entgegenzutreten, der umstrittene Politiker
       Macierewicz könnte in einer Szydlo-Regierung Verteidigungsminister Polens
       werden. „In meiner Regierung ist der wahrscheinlichste Kandidat für den
       Posten des Verteidigungsministers Jaroslaw Gowin“, versicherte sie noch
       Anfang Oktober.
       
       Nach dem erdrutschartigen Sieg der PiS bei den Parlamentswahlen vor zwei
       Wochen ist nun alles ganz anders. Die künftige Ministerpräsidentin Polens
       Beata Szydlo fuhr erst einmal in den Urlaub. Nicht sie, sondern der
       Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski führte die Gespräche mit den
       Ministerkandidaten. Als Szydlo nun „ihre“ künftige Regierung vorstellte,
       meinte sie seltsam einsilbig: „Macierewicz überzeugte durch seine
       Qualifikationen“.
       
       ## Fluchtartige Rückkehr
       
       Vor Jahren hatte er in einer anderen PiS-geführten Regierung eine
       Namensliste von polnischen Abwehragenten veröffentlicht, im Eifer des
       Gefechts allerdings nicht nur die aus der Zeit der Volksrepublik, sondern
       auch die aktuell in der ganzen Welt stationierten polnischen Agenten. Diese
       mussten dann fluchtartig nach Polen zurückkehren.
       
       Sehr qualifiziert ist anscheinend auch der künftige Geheimdienstkoordinator
       Mariusz Kaminski, der kurz vor den Wahlen in erster Instanz zu einer
       dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Der Vorwurf hieß:
       Amtsmissbrauch als Chef der Antikorruptionszentrale (CBA). Da Kaminski in
       Berufung ging, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Szydlo begründete
       seine erneute Nominierung für eine PiS-Regierung mit den Worten: „Ich bin
       überzeugt, dass die Gerechtigkeit auf seiner Seite stehen wird“. Dabei soll
       die Justitia doch gerade nicht auf der einen oder anderen Seite stehen.
       
       In Polens künftiger Regierung wird noch ein Veteran der sogenannten IV.
       Republik der PiS-Regierungsjahre 2005 bis 2007 sitzen: der künftige
       Justizminister Zbigniew Ziobro. Er hätte sich um ein Haar für seine
       damalige Amtsführung vor dem Staatstribunal verantworten müssen. Aber in
       der alles entscheidenden Parlamentssitzung fehlten einige Abgeordnete der
       liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) von der jetzt abtretenden
       Regierung.
       
       So kann nun Ziobro gemeinsam mit Kaminski erneut eine Spitzelsystem mit
       Abhöraktionen gegen eigene Regierungsmitglieder und Journalisten
       etabliebieren, einen Unschuldigen öffentlich das Mordes bezichtigen, ohne
       dass dies je geahndet würde. Immerhin bleibt die Hoffnung, dass diesmal bei
       der Festnahme einer angeblich korrupten Politikerin diese nicht wieder
       durch einen Schuss ums Leben kommt.
       
       ## Veteran und Hardliner
       
       Auch Witold Waszczykowski gehört zu den Veteranen und Hardlinern in der
       Partei. Der Diplomat soll demnächst das Außenministerium leiten. Er
       kündigte bereits an, dass in der bisherigen Außenpolitik Polens
       insbesondere im Verhältnis zu Deutschland „einige Korrekturen“ durchgeführt
       werden müssten.
       
       Auf der Wunschliste ganz oben stehen ständige Nato- oder zumindest
       amerikanische Militärbasen in Polen. Zudem müsse das sogenannte
       Normandie-Format in den russisch-ukrainischen Verhandlungen um Polen
       ergänzt werden. Es sei nicht einzusehen, dass nur Deutschland und
       Frankreich mit am Tisch säßen, wenn über die Zukunft der Ukraine gesprochen
       werde.
       
       Waszczykowski mahnt bei den westeuropäischen Staaten und insbesondere
       Deutschland an, dass es einen privilegierten Schutzstatus in den Augen der
       Amerikaner besitze. Polen wie auch die anderen postkommunistischen Staaten,
       die heute in der Nato seien, müssten ganz genauso mit ständigen
       Militärbasen geschützt werden wie die westlichen Staaten auch.
       
       Andere Ressorts, insbesondere das Wirtschaftsministerium, wurden mit
       Experten besetzt. Wie auch schon in den Jahren 2005 bis 2007 wird sich
       Jaroslaw Kaczynski, der auch diesmal wieder die Fäden im Hintergrund ziehen
       will, kaum in die Wirtschaft einmischen wollen. Wann die neue Regierung
       Polens mit Beata Szydlo an der Spitze vereidigt werden soll, steht noch
       nicht fest.
       
       10 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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