URI: 
       # taz.de -- Mixtapes und Essays
       
       > Sounds Daniela Seitz und Anja Weigl veranstalten seit vier Jahren die
       > Creamcake-Partys. Gestern eröffneten sie nun ihr erstes Musik- und
       > Kunstfestival „3hd“. Ein Gespräch über ihr popkulturelles
       > Forschungsprojekt
       
   IMG Bild: Daniela Seitz und Anja Weigel alias Creamcake veranstalten das 3hd Festival
       
       von Natalie Mayroth
       
       Ein amerikanisches Künstlerduo mit langen Haaren und Schnauzer – das
       könnten „Larry & Yong“ sein. Doch hinter den DJ-Namen verbergen sich zwei
       Frauen aus Süddeutschland: Daniela Seitz und Anja Weigl alias Creamcake.
       Seit 2011 veranstalten sie regelmäßig Partys in Berlin. Sie stehen auf
       hochgepitchte Stimmen, Internetästhetik und Drake-Remixe. Ihre Ideen lassen
       sie nun in das Festival „3hd“ einfließen.
       
       Ihre ersten Veranstaltungen organisierten sie bereits 2007 in Ingolstadt.
       „Wir sind auf die gleiche Schule gegangen“, sagt Anja Weigl. „Disconnected“
       heißen die Clubabende, auf denen noch Techno und House gespielt wird. Damit
       hat die Partyreihe „Creamcake“ in Berlin wenig zu tun. Musik – die zwischen
       kitschig und lebensfroh, zwischen Pop und elektronischen Tönen schwankt –
       ist ihr Markenzeichen.
       
       Auf der Eckbank im Café Möbel Olfe sitzen mir die 31-Jährigen mit
       Abschlüssen in Museum- und Veranstaltungsmanagement gegenüber. Sie
       verbringen viel Zeit im Netz, um nach Newcomern zu suchen. „Wir sehen uns
       online um. Wenn sie Konzerte spielen, ist es oft schon zu spät“, sagt Seitz
       über die Auswahl der Künstler_innen.
       
       Der Einfluss der Popindustrie hat auf sie abgefärbt: Sie verbinden Musik
       mit Ästhetik. Flyer mit hyperrealistischen 3-D-Abbildungen und Showcases
       mit Popsternchen wie Hannah Diamond vom Londoner Label „PC Music“ stehen
       auf dem Programm.
       
       „Das Festival ist ein natürliches Upgrade. Es spiegelt in geballter Form
       wider, was Creamcake ausmacht“, sagt Weigl. Das Projekt soll Label, Magazin
       und Festival zugleich sein.
       
       Ihre Ambitionen erinnern an das Programm des Club Transmediale mit
       90er-Jahre-Flair. Unter „The Labour of Sound in a World of Debt“ erforschen
       sie an fünf Tagen mit Künstler_innen und Theoretiker_innen, wie
       zeitgenössische Musik durch den gesellschaftlichen Wandel geprägt wird. Und
       dass nicht nur bei Tanzveranstaltungen. Sie kuratieren künstlerische
       Arbeiten und regen Diskussionen über Objekte der Musikindustrie (3. 12),
       Fankultur (4. 12) und Markenhype (5. 12) an, zu denen sie verschiedene
       Experten der Berliner Popkulturszene einladen.
       
       Vor acht Jahren kommen die Freundinnen zum Studium nach Berlin und erkunden
       das Nachtleben. Ein Abend hat es ihnen besonders angetan: die Frauenparty
       „Milkshake“. An Minimal und Techno haben sie sich sattgehört. Sie planen
       etwas Eigenes: Im Oktober 2011 findet die erste Creamcake im Kreuzberger
       Südblock statt. „Da habe ich Light Asylum aufgelegt. Ich habe kein Problem,
       Britney Spears zu spielen, doch dann abstrahiere ich die Songs“, sagt
       Daniela Seitz.
       
       Damals hat sie noch mit ordentlich beschrifteten CDs aufgelegt, die heute
       der Computer abgelöst hat – das wichtigste Instrument der Künstler, die bei
       Creamcake auftreten. Sie haben den Fokus von „Milkshake“ übernommen,
       weibliche Künstlerinnen vorzustellen, doch entscheidend ist für sie nicht
       das Geschlecht, sagt Weigl. Trotzdem fällt der Frauenanteil bei ihrem
       Line-up auf. Eine Riege von Nachwuchsproduzentinnen wie Oklou und Malibu
       aus Paris spielen am Donnerstagabend im Ohm.
       
       Der Aprilabend „Fragments of a Scene“ mit Experimentalmusik im Hebbel am
       Ufer (HAU) war der Vorlauf für 3hd. Danach bewerben sie sich für eine
       Festivalförderung von Music Board, die sie gewinnen. Am Freitag schlagen
       sie erneut den Weg ein, Musiker mit einer klassischen Ausbildung, wie den
       Cellisten Oliver Coates und den Komponisten Colin Self (ab 21 Uhr im HAU2),
       in einen neuen musikalischen Kontext zu betten.
       
       „Daniela ist die Visionärin, die etwas Neues am Horizont sieht, und ich bin
       die Getriebene“, sagt Weigl. Der Abschluss von 3dh wird am Samstag im
       Südblock unter dem Motto „Happy Hyper Hardcore“ gefeiert. Von Pop des
       britischen Produzenten „Danny L Harle“ über schnellen und rhythmischen
       Kuduro-Sound von „Nkisi“ und „Uli-K“. Bis zum Ende des Festivals ist die
       Ausstellung mit digitaler und Videokunst in der Vierten Welt zu sehen. Sie
       greift Themen auf wie der Schanghaier Künstler Kim Laughton, der sich mit
       dem neuen Musikstreamingdienst „Tidal“ auseinandersetzt.
       
       Finanziell gesehen ist das Veranstalten für sie ein Hobby. „Doch für uns
       war es schon immer mehr. Wir haben die Mission, Leute zu zeigen, die neue
       Musik machen“, sagt Seitz. „Es ist eine kleine Community, die entsteht –
       das verbindet“, sagt Weigl.
       
       Ihr Produktionsassistent Sam Lubicz wird ebenfalls zu hören sein. Das Album
       seines jüngsten Musikprojekts „333 Boyz“ wurde neben weiteren Mixtapes und
       Essays im Rahmen von 3hd veröffentlicht.
       
       3 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA