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       # taz.de -- Syrienrückkehrer verurteilt: Nächstes Mal lieber Mallorca
       
       > Zwei Deutsch-Tunesier waren mehrere Monate in Syrien beim „Islamischen
       > Staat“. Ein Celler Gericht verurteilte sie zu mehrjährigen Haftstrafen.
       
   IMG Bild: Wegen Terrortourismus verurteilt: die zwei Syrienrückkehrer im Celler Oberlandesgericht
       
       Celle taz | Das Oberlandesgericht in Celle hat zwei Syrienrückkehrer aus
       Wolfsburg zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der 27-jährige Ayoub B.
       muss für vier Jahre und drei Monate, der 26-jährige Ebrahim H. B. für drei
       Jahre wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
       ins Gefängnis.
       
       Beide Männer waren im Sommer 2014 nach Syrien gereist und hatten sich dort
       dem „Islamischen Staat“ angeschlossen. Beide hätten sich dem Willen der
       Organisation eine Zeit lang unterworfen, seien schließlich aber geflohen,
       sagte der Vorsitzende Richter Henning Meier in seiner Urteilsbegründung.
       Eine Beteiligung an Kampfhandlungen sei nicht nachweisbar gewesen. Zudem
       hätten beide umfangreich ausgesagt.
       
       Die Deutsch-Tunesier gehörten der sogenannten Wolfsburger Zelle an. In der
       niedersächsischen Stadt hatte ein IS-Rekrutierer eine Gruppe von mehr als
       20 jungen Männern um sich geschart. Die Männer radikalisierten sich und
       reisten schließlich unter Anleitung des Rekrutierers nach Syrien aus. Der
       habe einen genauen Blick dafür gehabt, wer labil, wenig erfolgreich und in
       einer Lebenskrise und damit anfällig für die salafistische Ideologie
       gewesen sei, sagte der Vorsitzende Richter.
       
       B. und H. B. waren im Jahr 2014 für mehrere Monate beim „Islamischen
       Staat“. Anders als beide aussagten, hätten sie durchaus gewusst, dass der
       IS für einen islamistischen Gottesstaat kämpfe, sagte Richter Meier. Beide
       Männer wurden an Waffen ausgebildet. Als sie sich entscheiden mussten, ob
       sie Kämpfer oder Selbstmordattentäter werden wollten, wurde B. bei den
       Kämpfern eingeteilt. Er habe aber eine weitere Ausbildung vermieden und
       sich Kämpfen entzogen, sagte der Richter. H. B. meldete sich als
       Selbstmordattentäter. Schließlich flohen sie zurück nach Deutschland. Eine
       Beteiligung an Kämpfen konnte ihnen nicht nachgewiesen werden.
       
       ## Hoffnung auf den Aussteiger
       
       Beide sagten gegenüber der Polizei über ihre Erlebnisse in Syrien aus –
       wenn auch unterschiedlich gehaltvoll, wie das Gericht feststellte. H. B.
       hatte außerdem noch vor Prozessbeginn seine Erfahrungen in einem Interview
       geschildert, das die ARD ausstrahlte. Er ist damit der erste Rückkehrer,
       der öffentlich über die Gewalttätigkeit und die Grausamkeit des IS spricht.
       Er sei bereit zu reden, um andere davon abzuhalten, sich dem IS
       anzuschließen, sagte H. B.
       
       In den Sicherheitsbehörden hoffen viele, er könne ein Aussteiger sein, den
       man später auch in der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit einsetzen
       kann. Nach einem solchen suchen die Behörden seit Langem. Nach Auffassung
       des Gerichts haben sich beide glaubhaft vom Terror distanziert.
       
       Das Urteil bleibt deutlich hinter den Forderungen der Bundesanwaltschaft
       zurück. Diese hatte gefordert, B. auch wegen Beihilfe zum Mord zu
       verurteilen. Das lehnten die Richter ab. Auch hatte die Bundesanwältin
       Zweifel an der Reue der Angeklagten geäußert.
       
       ## Schlampige Behörden
       
       Die Verteidiger hatten für B. einen Freispruch gefordert, für H. B.
       höchstens zwei Jahre Haft zur Bewährung. Beide seien nicht als
       Gotteskrieger nach Syrien aufgebrochen, sondern ihnen sei von einem
       radikalen Prediger ein islamisches Wunderland vorgegaukelt worden, so ihre
       Begründung.
       
       Während des Prozesses war immer wieder der Vorwurf aufgekommen, die
       niedersächsischen Sicherheitsbehörden hätten im Kampf gegen die radikalen
       Islamisten geschlampt. So sagte B.s Anwalt, die Polizei sei monatelang
       untätig geblieben, obwohl Angehörige den Ermittlern den Namen des
       IS-Anwerbers genannt hätten. Auch sei B.s Ausreise nicht verhindert worden.
       
       Wäre die Polizei früher gegen den Anwerber vorgegangen, hätte eine
       Radikalisierung verhindert werden können. Zudem äußerte B.s Anwalt den
       Verdacht, der IS-Anwerber könnte V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen
       sein. „Dafür“, sagte Richter Meier, „gibt es nicht den geringsten
       Anhaltspunkt.“
       
       7 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sabine am Orde
       
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