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       # taz.de -- Beerdigung von Helmut Schmidt: Abschied hinterm Straßengitter
       
       > Im Hamburger Michel gedachten wichtige Leute eines wichtigen Mannes.
       > Draußen tummelte sich das Fußvolk. 200 Menschen, bewacht von
       > Polizei-Kohorten.
       
   IMG Bild: Staatsakt in Hamburg: Beerdigung von Helmut Schmidt, Raucher a.D..
       
       HAMBURG taz | Es ist ein trauriger Tag für Deutschland. Das zumindest soll
       suggeriert werden: Eine Deutschlandflagge weht auf Halbmast vor dem Michel,
       Hamburgs wichtigster Kirche. Drinnen gedenken gerade viele wichtige Leute
       eines wichtigen Mannes, der kürzlich verstorben ist. Die Kirchenglocken
       läuten, dann erklingt Orgelmusik.
       
       Draußen tummelt sich das Fußvolk. Ungefähr 200 Menschen drängeln sich
       hinter einem Absperrgitter auf einer Straßenkreuzung, von der aus man den
       Michel sehen kann. Viel mehr aber auch nicht. Drei Gefangenentransporter,
       gut fünfzig Mannschaftswagen, eine Polizei-Motorradstaffel und viele
       einzelne PolizistInnen belagern die Kreuzung. Auf den umliegenden Dächern
       liegen vermutlich Scharfschützen, aber man sieht sie nicht.
       
       Trauer herrscht hinter dem Polizeigitter allerdings nicht. Manche sind
       extra angereist, um die prominente Beerdigung zumindest von gegenüber zu
       verfolgen. Alle haben ihre Kameras und ihre Smartphones im Anschlag, falls
       die hochrangige Trauergemeinschaft gleich die Kirche verlässt und sich
       sichtbar macht.
       
       TouristInnen, RentnerInnen, Menschen in ihrer Mittagspause warten auf den
       Sarg und sein Geleit. Was erhoffen sich die Leute von dem Anblick?
       
       „Ich liebe Hamburg und ich bin großer Helmut Schmidt-Fan“, sagt ein Mann,
       dem eine Deutschlandflagge aus dem obersten Knopfloch seines Hemdes hängt.
       Wie ein Umhang, nur vor dem Bauch, statt vor dem Rücken. Sein Begleiter
       filmt ihn vor dem Absperrgitter. „Kann man morgen alles auf Youtube sehen“,
       sagt der mit dem Deutschlandumhang.
       
       Anderen hier haben offenbar eine Vorliebe für Beerdigungen. „Ich war schon
       bei der Trauerfeier von Loki Schmidt“, sagt ein Mann mit Fischerhut. „Und
       bei der von James Last! Und bei der von Siegfried Lenz!“ Das grenzt an
       Beerdigungs-Tourismus.
       
       Als die Kirchenorgel die Nationalhymne spielt und sich dort drüben etwas zu
       bewegen scheint, strecken alle ihre Handys in die Luft und schießen wie
       wild Fotos.
       
       Und dann ist es auch schon wieder vorbei. Die Trauergäste strömen vom
       Kirchengelände und lassen sich von ihren ChauffeurInnen einsammeln. Eine
       Kolonne schwarzer Limousinen verlässt die Kreuzung. „Da rollt Angie an uns
       vorbei!“, murmelt jemand unaufgeregt. Von Schmidts Sarg immer noch keine
       Spur.
       
       „Irgendwie hatte ich mir das spannender vorgestellt“, sagt ein grauhaariger
       Herr zu einem anderen. „Kann man später auch alles in der Tagesschau
       sehen“, erwidert der. Ein Kind quengelt. Es ist kalt. Und Helmut Schmidt
       liegt wahrscheinlich längst im Leichenwagen.
       
       23 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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