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       # taz.de -- Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg: Späte Gerechtigkeit
       
       > Japan und Südkorea legen ihren Streit über die „Trostfrauen“ in
       > japanischen Militärbordellen bei. Es gibt aber kaum noch Überlebende.
       
   IMG Bild: Repräsentiert die Zwangsprostituierten in japanischen Militärbordellen im Zweiten Weltkrieg: Bronzedenkmal vor der japanischen Botschaft in Seoul.
       
       Seoul taz | Der größte historische Zwist zwischen Japan und Südkorea
       scheint nach sieben Jahrzehnten beigelegt: Am Montag einigten sich die
       ostasiatischen Staaten in der sogenannten Trostfrauen-Frage. Mit diesem
       Euphemismus werden die überwiegend koreanischen Zwangsprostituierten
       bezeichnet, die während des Zweiten Weltkriegs in japanischen
       Militärbordellen dienen mussten.
       
       Japans Regierung bietet den Überlebenden jetzt umgerechnet 7,5 Millionen
       Euro Entschädigung an. Außenminister Fumio Kishida sprach vor der Presse in
       Seoul von einer „tief empfundenen Verantwortung“ der japanischen Regierung,
       die „Würde und Ehre vieler Frauen massiv verletzt zu haben“. Südkorea
       akzeptierte die Entschuldigung als „irreversibel“.
       
       Diese Einigung ist nicht zuletzt auch einem wirtschaftlichen Imperativ
       geschuldet: Allein in den letzten vier Jahren ging der bilaterale Handel um
       20 Milliarden US-Dollar zurück. Zugleich leidet Südkorea unter steigender
       Jugendarbeitslosigkeit, Japans Wirtschaft stagniert schon seit 25 Jahren.
       
       Vor allem aber ist die Einigung im Interesse des gemeinsamen Alliierten:
       Die USA haben mit 75.000 Soldaten rund die Hälfte ihrer Auslandstruppen in
       Japan und Südkorea stationiert. Während China zunehmend selbstbewusster
       agiert und Nordkorea weiter Ambitionen als Atommacht verfolgt, fordern die
       Amerikaner verstärkt trilaterale Militärkooperationen ein. Harmonische
       Beziehungen zwischen Japan und Südkorea sind ein Schlüsselfaktor zur
       Stabilität der Region.
       
       Dabei wurde die Koreanische Halbinsel noch in der ersten Hälfte des 20.
       Jahrhunderts vom japanischen Kaiserreich kolonialisiert. Keine historische
       Wunde hatte sich seither schmerzlicher in die koreanische Kollektivpsyche
       eingebrannt als die systematische Verschleppung bitterarmer Frauen, oftmals
       minderjährig, die unter falschen Versprechungen und auch Gewaltanwendung in
       die Zwangsprostitution gelockt wurden. Historiker sprechen von bis zu
       200.000 Frauen, von denen sich viele nach Ende des Krieges oft heimat- und
       familienlos in der chinesischen Provinzen niederließen. Aus Scham blieb das
       Gros von ihnen anonym.
       
       ## Die Hoheit der Geschichtsschreibung
       
       Seit Jahrzehnten herrscht unter Nationalisten ein erbitterter Streit um die
       Hoheit der Geschichtsschreibung: Für japanische Rechtsradikale sind die
       „Trostfrauen“ lediglich gewöhnliche Prostituierte. Wer als Reporter oder
       Forscher diese Sichtweise anzweifelt, muss mit fanatischem Zorn rechnen.
       Doch auch in Südkorea wurde der historische Streit politisch
       instrumentalisiert. Als einige überlebende „Trostfrauen“ finanzielle
       Entschädigungen von privaten Geldgebern aus Japan annahmen, wurden sie von
       koreanischen Aktivisten als „projapanische Verräterinnen“ geächtet.
       
       Japans offizielle Kompensation kommt für die meisten viel zu spät: Erst vor
       wenigen Wochen ist erneut eine ehemalige Zwangsprostituierte mit 96 Jahren
       gestorben. Nur mehr 46 namentlich Bekannte sind von ihnen noch am Leben.
       
       28 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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