# taz.de -- Aktivisten beim Klimagipfel in Paris: Protestparty ohne die Deutschen
> Deutsche Graswurzelaktivisten halten sich von Paris fern. Was die
> radikale Linke stattdessen tut? Blockieren, blockieren, blockieren.
IMG Bild: Pappschildchen malen für Pairs? Da haben deutsche Aktivisten eher keinen Bock drauf
Paris taz | Es ist Abend im Jardin d‘Alice, der leicht subversiven
Künstlerwerkstatt in Paris Montreuil. Hier, wo Aktivistinnen und Aktivisten
aus den USA, den Niederlanden, aus Schottland und Frankreich seit Wochen
Schildchen malen, große Banner beschriften, Wellen und Wolken aus Pappe
ausschneiden. Sie zeichnen mit Bleistiften große Linien, träufeln und
tröpfeln und tupfen.
Sie tun das alles, um bei den nunmehr von der französischen Regierung ob
der [1][Terroranschläge von Paris] verbotenen Demonstrationen anlässlich
des [2][Weltklimagipfels] nicht ohne Utensilien dazustehen. Jazzmusik
läuft, eine Dame freut sich: „Aus Berlin sind Sie? Wirklich? Wie toll, da
sind Sie der erste!“ Die Aktivistin, Mitte 50, freut sich, als habe sie
noch nie einen Deutschen gesehen. Dann die Enttäuschung: nur ein
Journalist.
Paris kurz vor Beginn des Weltklimagipfels. PolitikerInnen aus allen
Ländern der Welt nehmen teil – und Umweltaktivisten aus den abgelegensten
Winkeln des Planeten reisen an. Die Dame hat Recht: Wo sind eigentlich die
deutschen Umweltaktivisten?
Mit großer Entourage hatte sich eine bunt gemischte Delegation von
Klimarettern am Samstag aus Deutschland in Bewegung gesetzt – in einem
„Train to Paris“ starteten Umweltpolitiker und Journalisten aus Berlin nach
Paris. Ein rühriges Zeichen: Alle zusammen kommen mit der grünen Deutschen
Bahn. Und natürlich waren etliche Vertreter all der großen Umweltverbände
an Bord. Niemand wird behaupten können, dass deutsche Umweltorganisationen
aus dem Klimarettungsland Nummer Eins in Paris nicht vertreten sind.
## Man hat andere Pläne
Eines aber ist augenfällig: Die deutschen Graswurzelaktivistinnen und
-aktivisten aus der undogmatischen Linken, die ansonsten jede europäische
Protestparty mitnehmen, sind Zuhause geblieben. Einer ihrer Lautsprecher,
Tadzio Müller, reist zwar nach Paris – allerdings artig und fein als
Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung, von der er schließlich auch bezahlt
wird.
Wie kommt das? Die radikale Linke in Deutschland interessiert sich nicht
für Paris. Sie hat andere Pläne. Am Frankfurter Hauptbahnhof [3][ketten
sich am Samstag ein paar Aktivisten auf die Gleise]. Sie blockieren den
Öko-Zug aus dem Umweltministerium. Sie sagen, der Klimawandel sei
Handarbeit. Paris, das sei nur eine lächerliche
Stellvertreterveranstaltung.
Als die französische Regierung in Paris nach den Terrorattacken sämtliche
Demonstrationen verbot, waren in Deutschland viele Aktivisten in der
radikalen Linken heimlich froh. So könne wenigstens ein ohnehin schlechtes
Protestkonzept ohne allzu großen Schaden über Bord geworfen werden, hieß
es. Es ging um den 12. Dezember, einen Tag, für den insbesondere die
radikaleren internationalen Umweltgruppen geworben hatten, um zum Abschluss
des Weltklimagipfels nochmal etwas Unruhe in die Stadt zu bringen. Mit
zivilem Ungehorsam, sogenannten „direkten Aktionen“ und ein paar Blockaden.
Teils halten diese Gruppen auch noch nach den Terroranschlägen an diesen
Plänen fest. In Deutschland verfing das nie.
## Braunkohle-Protest in der Lausitz geplant
Und das obwohl – oder gerade weil – die radikale Klimabewegung in
Deutschland im vergangenen Jahr einen großen Erfolg feierte als rund 1.000
Demonstranten im August das [4][Braunkohlerevier Garzweiler II im Rheinland
stürmten] und damit für Pressebilder sorgten, die durch die Republik
gingen. Lasst die Kohle in der Erde – diese Botschaft ist also durchaus ein
Thema.
Doch auch weil viele Aktivisten vom großen Klimagipfel 2009 in Kopenhagen
in erster Linie mit Blessuren und Frustration nach Hause fuhren, haben jene
Graswurzelaktivisten, die ihre Proteste am liebsten im Plenum und innerhalb
von „Bezugsgruppen“ besprechen, kaum noch Lust auf Gipfelproteste.
Stattdessen plant das linksradikale Bündnis [5][“Ende Gelände“] für das
kommende Jahr eine groß angelegte Kampagne in Deutschland, die ab diesem
Sonntag beworben werden soll. Ähnlich wie im Sommer im Rheinland, [6][wo
RWE im Einklang mit der Polizei rabiat gegen Aktivisten und auch
Journalisten vorging], soll dann am Pfingstwochenende 2016 das
Braunkohlerevier in der Lausitz attackiert werden. Dort plant der
schwedische Energiekonzern Vattenfall derzeit, seinen Braunkohletagebau und
seine Kohlekraftwerke zu verkaufen.
Umweltaktivisten wollen nun verhindern, dass der Kohleabbau danach einfach
reibungslos weitergeht. Sie fordern, den Kohleabbau bei der Gelegenheit
gleich komplett stillzulegen – und kommen mit einer Kampfansage an
interessierte Käufer: „Das Invesititionsrisiko sind wir.“ Am
Pfingstwochenende sollen dann Tausende Aktivisten in Massenblockaden auch
riesige Braunkohlebagger in der Lausitz besetzen. Das sind also die Pläne
in Deutschland: Blockieren, blockieren, blockieren. Da ist nichts mit
träufeln und tröpfeln und tupfen in Paris.
28 Nov 2015
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Martin Kaul
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