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       # taz.de -- Polizeigewalt in den USA: Filmen gegen den Rassismus
       
       > „Copwatch“, eine 25 Jahre alte Bewegung, erhält neue Relevanz. Bürger
       > filmen Polizisten. Schafft das noch mehr Misstrauen?
       
   IMG Bild: Vorauseilender Gehorsam, um nicht von Polizisten verletzt zu werden? Protest in New York nach dem Tod von Eric Garner 2014
       
       New York dpa | Eric Garner liegt auf dem Boden und keucht verzweifelt. „Ich
       kann nicht atmen.“ Der Kopf des 43-Jährigen wird auf den Asphalt gedrückt,
       ein Polizist nimmt ihn in einen Würgegriff. Der asthmakranke Vater von
       sechs Kindern stirbt noch am gleichen Tag.
       
       [1][Das Video von Garners Festnahme] am 17. Juli 2014 im New Yorker
       Stadtteil Staten Island und seinen letzten Atemzügen verbreitet sich rasend
       schnell um die Welt. Die Entscheidung der Geschworenen, dass der weiße
       Polizist Daniel Pantaleo, der den Afroamerikaner Garner tödlich gewürgt
       hat, sich nicht vor Gericht verantworten muss, löst landesweite Proteste
       gegen Polizeigewalt in den USA aus.
       
       Für Andrea Prichett stellt der Fall Garner einen Wendepunkt in den USA dar.
       „In dem Jahr seit Garners Tod und [Michael] Browns Tod in Ferguson hat sich
       das Klima in Amerika sehr geändert. Und jetzt haben wir durch solche Videos
       Beweise für unrechtmäßige Gewalt von Polizisten.“ Schon 1990 hatte
       Pritchett die Gruppe [2][CopWatch] im kalifornischen Berkeley gegründet.
       Was als Bürgerinitiative begann, um unrechtes Verhalten der Polizei gegen
       Obdachlose zu dokumentieren, ist mittlerweile zu einer nationalen Bewegung
       gewachsen, die gegen Polizeigewalt und Rassendiskriminierung vorgeht.
       
       „Als wir CopWatch starteten, war die amerikanische Bevölkerung sehr
       pro-Polizei“, sagt Prichett. „Heute jedoch ist das Vertrauen in die Polizei
       nahezu verschwunden und sie haben begonnen, deren Haltung, vor allem
       gegenüber Schwarzen und anderen Minderheiten wie Latinos zu misstrauen.“
       
       Bei CopWatch patrouillieren Bürger mit Smartphones in Großstädten wie New
       York, Atlanta und Baltimore, um den Umgang zwischen Polizei und Bürgern –
       und somit mögliche Misshandlungen – auf Video festzuhalten. Obwohl
       Polizisten oft versuchen, Zivilisten vom Filmen abzuhalten, ist es legal,
       Beamte an öffentlichen Orten zu filmen, solange man sie nicht bei der
       Arbeit behindert.
       
       ## 960 Menschen von Polizisten getötet
       
       „Auch wenn Brown, Garner, Sandra Bland und all die anderen Opfer von
       Polizeigewalt keine Gerechtigkeit mehr sehen, helfen CopWatch-Videos doch
       dabei, Missstände und Fehlverhalten aufzudecken“, sagt Prichett. In den USA
       wurden in diesem Jahr [3][einer Statistik] des Guardian zufolge bislang 960
       Menschen von Polizisten getötet. Zwölf Polizisten sind dem Wall Street
       Journal zufolge in diesem Jahr wegen ziviler Todesopfer angeklagt worden –
       mehr als in jedem der letzten zehn Jahre, aber doch nur ein Bruchteil der
       Tötungsdelikte von US-Polizisten. Das Vertrauen der Bevölkerung sinkt;
       [4][laut einer Gallup-Umfrage] haben lediglich 52 Prozent „viel“ oder
       „ziemlich viel“ Vertrauen – der niedrigste Stand seit 1993.
       
       Sind die landesweit 18.000 Polizeibehörden anfällig für Rassismus? Seit den
       Fällen wie Garner, Freddie Gray und Brown stehen die rund 900.000
       US-Polizisten unter besonders genauer Beobachtung. Der Vorsitzende der
       Polizeigewerkschaft Patrolmen‘s Benevolent Association, Patrick J. Lynch,
       warnt vor einer Stigmatisierung und Pauschalisierung: „Wenn man noch nie
       mit jemandem konfrontiert wurde, der sich einer Festnahme entzieht oder der
       eine Waffe oder ein Messer auf einen richtet, (...) dann hat man kein
       Recht, das Verhalten von Polizisten zu beurteilen, die sich selbst für das
       Wohl der Bevölkerung in Gefahr begeben.“
       
       Lynch hält die kritischen Medienberichte über Rassendiskriminierung und
       Polizeigewalt für unfair und voreingenommen. Er befürchtet, dass sie das
       Verhältnis der Bevölkerung zur Polizei weiter verschlechtern werden. „Es
       ist unverständlich für alle Polizisten, dass Experten und Journalisten,
       deren einzige Kompetenz es ist, schnelle Leitartikel zu schreiben, sofort
       zu dem Schluss kommen, dass die Taten eines Polizisten falsch waren, all
       dies auf der Grundlage von nichts anderem als einem stummen Video.“
       
       ## „Den Status quo verändern“
       
       Inzwischen gibt es für das Cop-Watching auch Apps, beispielsweise von
       Darren Baptiste. Damit können Bürger Begegnungen mit der Polizei filmen und
       danach das Video direkt ins Internet hochladen. Bislang haben mehr als
       16.000 Menschen die App heruntergeladen.
       
       „Mehr und mehr Menschen merken gerade, dass es Zeit ist, etwas zu tun, um
       den Status quo zu verändern“, sagt Baptiste. Je mehr Copwatch-Videos es
       gebe, desto mehr Aufmerksamkeit errege es in Amerika und weltweit. „Nur
       dadurch können langfristig Veränderungen erreicht werden.“ Auch immer mehr
       Polizisten tragen inzwischen Körperkameras, sogenannte „Body Cams“, um sich
       von ihrer Seite aus gegen die Vorwürfe von Rassendiskriminierung und Gewalt
       zu behaupten.
       
       Die Frage ist, ob CopWatching lediglich das Misstrauen auf beiden Seiten
       fördert. Die Bürgerrechtlerin Prichett ist anderer Meinung. „Wir schüren
       kein Misstrauen, sondern geben unterdrückten Gemeinschaften Kontrolle und
       Selbstschutz. Falls es wirklich dazu kommt, dass es wieder einen Fall wie
       Garner oder Brown gibt, dann haben wir Beweise, dass sich ein Polizist
       unrecht verhalten hat. Sonst wäre es nur das Wort eines Schwarzen gegen das
       eines Weißen. Und da ist das Machtverhältnis bis heute noch ungleich in den
       USA.“
       
       29 Nov 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.youtube.com/watch?v=LfXqYwyzQpM
   DIR [2] http://www.copwatch.org/
   DIR [3] http://www.theguardian.com/us-news/series/counted-us-police-killings
   DIR [4] http://www.gallup.com/poll/183704/confidence-police-lowest-years.aspx
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stephanie Ott
       
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