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       # taz.de -- Kommentar zu Beate Zschäpes Aussage: In der Rolle der schwachen Frau
       
       > Beate Zschäpe inszeniert sich als Opfer, ihre Aussage ist unglaubwürdig,
       > ihre Entschuldigung zynisch. Der Skandal muss ohne sie aufgeklärt werden.
       
   IMG Bild: Und wieder einmal hat Beate Zschäpe nicht viel Substantielles zum Prozess beigetragen.
       
       Was für eine Inszenierung: Nachdem sie zweieinhalb Jahre lang geschwiegen
       hat, stilisiert sich Beate Zschäpe zum Opfer. Zur schwachen Frau, die
       emotional von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos abhängig war, die von den zehn
       Morden, die dem NSU zur Last gelegt werden, immer erst im Nachhinein erfuhr
       und die aus Hilflosigkeit nichts unternehmen konnte. Das ist – besonders
       für die Angehörigen der Opfer – schwer auszuhalten. Doch es gehört zu einem
       Rechtsstaat, dass Angeklagte schweigen und auch lügen dürfen, um die eigene
       Haut zu retten.
       
       Beate Zschäpes Einlassung widerspricht dem Bild, das viele Zeugen von der
       Hauptangeklagten im Münchener NSU-Prozess gezeichnet haben. Sie beschreiben
       Zschäpe als starke Frau und als überzeugte, ideologisch gefestigte
       Rechtsextremistin, die Böhnhardt und Mundlos im Griff hatte. Schwer
       vorstellbar, dass die beiden Männer, mit denen sie jahrelang im Untergrund
       lebte, eine Mordserie begingen, die sie selbst verurteilte. Warum auch
       hätte sie das zweieinhalb Jahre verschweigen sollen?
       
       Zur Aufklärung hat Zschäpe nichts beigetragen: Sie hat keine unbekannten
       Details genannt, keine Namen von Unterstützern, kein Wort zu ihren
       Mitangeklagten oder etwaigen Verwicklungen des Verfassungsschutzes in
       NSU-Morde gesagt. Nichts zu der Frage, die die Angehörigen der Opfer so
       drängt: Wie hat der NSU seine Opfer ausgesucht? Warum wurde der eigene
       Mann, der Sohn, der Vater ermordet? Eingeräumt hat Zschäpe nur das, was
       ohnehin bekannt war und belegt ist. Ihre Entschuldigung am Ende der Aussage
       dürften viele Angehörige als zynisch empfunden haben. Zu Recht.
       
       Dass mehr Erkenntnisse von Zschäpe kaum zu erwarten sind, zeigt ihr
       Vorhaben, nur zuvor schriftlich eingereichte Fragen des Gerichts und der
       Mitangeklagten von ihren Anwälten beantworten zu lassen. Zschäpe wird
       wissen, warum: Zu groß ist die Gefahr, dass ihre Aussage in einer Befragung
       zerlegt würde.
       
       Damit ist der öffentliche Hype um Beate Zschäpe hoffentlich vorbei. Ins
       Zentrum der Aufmerksamkeit gehört wieder das, worum es wirklich geht – eine
       Serie rechtsextremer Morde an zehn Menschen, von denen neun aus
       rassistischen Motiven getötet wurden: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru,
       Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros
       Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Und das
       Versagen des Staates.
       
       Die Aufklärung dieses Skandals muss jetzt ohne die Hoffnung auf einen
       Beitrag Zschäpes weitergehen. In einer Zeit, in der der Hass auf Migranten
       wächst, Rechtsextreme Zulauf haben und fast täglich Flüchtlingsheime
       brennen, ist das wichtiger denn je.
       
       9 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sabine am Orde
       
       ## TAGS
       
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